Terrorismus

In den letzten Tagen gab es wieder eine Reihe von islamistischen Anschlägen in europäischen Ländern. Wie üblich, zeigen sich die westlichen Regierungen schockiert und empört darüber. Wie üblich, wird der eigene Anteil daran verschwiegen. Wie üblich, werden keine sinnvollen oder gar effektiven Maßnahmen ergriffen, um diese Art von Gefahr zu verhindern. Wie üblich, dreht sich die öffentliche Scheindebatte um Platitüden und Ersatzhandlungen. Wie üblich, wird diese Bedrohung dafür benutzt, um den Sicherheits-, d.h. Kontroll-Apparat, auszubauen.

Anschläge als imperialistisches Multifunktionswerkzeug

Anschläge sind natürlich schlimm, aber westliche Regierungen sind seit hundert Jahren die Zieheltern islamistischer Extremisten. Sie haben sie gefördert und finanziert, um die damaligen Kolonien und späteren postkolonialen Staaten dauerhaft instabil zu halten, so dass dort immer Interventionsgründe und Korruptionsansätze vorhanden bleiben.

England und Frankreich sowieso, aber u.a. auch Deutschland hat von damals bis heute mitgemacht,

Einerseits unterstützt Deutschland auf vielfältige Weise Dschihadisten, andererseits werden Muslime offen für islamistische Rekrutierung, wenn sie sich die u.a. eben auch deutschen Verbrechen gegen Muslime vergegenwärtigen. Am bekanntesten ist wohl der Massenmord von Kundus, von Oberst Georg Klein befohlen, durch keinen Prozess aufgearbeitet, schließlich mit der Beförderung zum General belohnt. Das ist Öl ins Feuer, und noch ein paar Holzscheite dazu! Bei Anschlägen in Europa dann aber betroffen tun?

Davon abgesehen gibt es selbstverständlich auch eine islamische Teilschuld und Mitverantwortung an diesen Problemen und Gewalttaten. Als Nichtmuslim ist es aber nicht mein Problem und meine Aufgabe, sie zu lösen. Als Deutscher ist es meine Pflicht, selbstkritisch die eigenen Beiträge zur Lage aufzuzeigen, als da wären:

  1. Unterstützung und Gewährenlassen militanter islamistischer Bewegungen,
  2. Produktion von „Terroristen“ (viele sind tatsächlich eher Freiheits- und Unabhängigkeitskämpfer) durch Schaffung eines Klimas des Hasses gegen „den Westen“ aufgrund von Kriegen, Kriegsverbrechen, Destabilisierungen und Unterstützung korrupter Regime,
  3. Ausnutzung und Aufrechterhaltung der terroristischen Bedrohungslage zur Herrschaftssicherung und dauerhaften Legitimation freiheitsberaubender Überwachungs- und Kontrollstrukturen.

Kosmetische Symptom-Bekämpfung

Auf dschihadistische Anschläge wird hierzulande mit dem Ruf nach mehr Geheimdienst- und Polizeibefugnissen, Lagerinternierungen und Abschiebungen reagiert. Außerdem werden Muslime unter Generalverdacht gestellt und Integration und Prävention gefordert.

Aber nichts davon hat mit den Ursachen von Terrorismus zu tun. Eher im Gegenteil kann zusätzlicher Druck und gesellschaftliche Stigmatisierung diesen noch begünstigen. Es ist auch reichlich zynisch, die Anpassung in eine Gesellschaft zu fordern, die ihrerseits für so viele Radikalisierungen, sowie auch Morde an Muslimen, in der islamischen Welt mitverantwortlich ist.

Ursachen, Wirkungen und Nebenwirkungen

Ursachen von Terrorismus sind vielfältig. Ein politisch-ökonomisches System, das ihn sich in seiner Teile-und-herrsche-Strategie nutzbar machen kann, wird ihn nicht abschaffen wollen oder dies sogar gar nicht können. Schon in George Orwells „1984“ waren Krieg und Terror – ob real oder als Propagandalüge – ständige Begleiter im tristen Alltag des totalitären Ozeaniens. Terror hat eine staatserhaltende Funktion.

„Teile und herrsche“ geschieht auf dreifache Weise:

  1. Individuell durch Sozialisation, Schule, Medien und „strategische Kommunikation“, die bestimmte Sachverhalte aus ihren ursprünglichen Kontexten löst und so neu verknüpft, wie es die offizielle Erzählweise verlangt. Das ist das „Teile und herrsche“ im Bewusstsein des Einzelnen. Die Bewusstseinsinhalte werden vorgegeben (von tagesschau und BILD ohne Weiterverarbeitung direkt ins Gehirn), oder sie stehen unverbunden und widersprüchlich nebeneinander, wie der Glaube, dass der Kapitalismus – trotz Reallohnverlust, Mietenwahnsinn, Niedriglohnsektor, Hartz-Regime, abstiegsgefährdeter Mittelschicht, Kinder- und Altersarmut – Wohlstand schaffe.
  2. Innergesellschaftlich werden Gruppen gegeneinander ausgespielt. Diese Gruppen werden oft sogar erst durch behauptete Eigenschaften gebildet und gegeneinander in Stellung gebracht, z.B. Angestellte gegen Arbeiter, diese beiden gegen Studierende und Arbeitslose, und alle gegen Geflüchtete und Arbeitsmigranten, die als Konkurrenten dargestellt werden, usw. usf. Darauf stoßen die Herrschenden lächelnd mit ihren Champagnergläsern an. Wer teilt und herrscht, muss nicht teilen (im Sinne von: etwas vom Kuchen abgeben).
  3. Außenpolitisch werden sowohl Länder oder Ländergruppen gegeneinander als auch innerhalb dieser Länder Gesellschaftsgruppen gegeneinander ausgespielt. Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Im Irak ab 2003 hatten die USA ethnische Konflikte geschürt, um währenddessen leichter die Öltanker Richtung USA fahren zu lassen. Daraus entstand ab 2005 das „Islamische Emirat im Irak“, woraus später der IS/Daesch wurde. Deutschland tat das in Syrien durch die Unterstützung der sogen. „Opposition“ und „moderaten Rebellen“. Ein paar von denen haben dann auch hier Menschen umgebracht. Kann passieren? Ja, kann.

Gäbe es diese realpolitische Notwendigkeit des „Teile und herrsche“ durch permanente Bedrohungslagen nicht, könnten wir von Wissenschaft, Bildung und Aufklärung als Problemlösung sprechen. In einer gerechten Welt könnte es möglich sein, sich nüchtern Gedanken über den Islam – so wie über jede andere Religion und Ideologie – zu machen.

Mit religiöser Dogmatik verhält es sich ja so, dass die Schriftgrundlage verschiedene Aussagen bietet, die individuell unterschiedlich gewichtet werden können. Frieden, Liebe und Barmherzigkeit haben aber einen schweren Stand, wenn ringsum die Bomben explodieren und Hochzeitsgesellschaften in Leichenfelder verwandelt werden.

Daher spottet letztlich jede westliche, arrogante Anklage gegen islamistische Gewalttäter allen humanistischen Mindestanforderungen an die eigene Menschlichkeit und Zivilisiertheit Hohn.

Die oberlehrerhafte Beschwörung von Integration und Prävention will kognitive Dissonanz anerziehen. Während die eine Hand in der Welt um sich schlägt, soll das Zuckerstück aus der anderen Hand dankbar und untertänig entgegengenommen werden – um den Preis der bedingungslosen Unterwerfung unter das westliche Lehrgebäude des Liberalismus (der bürgerliche Aspekt als Ideologie für die Unterdrückten, der wirtschaftlich-politisch-imperiale Aspekt für die Herrscher). Die Ironie dabei: „Islam“ heißt ja auch „Unterwerfung“.

Freier Wille, Humanismus, Aufklärung? Fehlanzeige!

Aufklärung! Was sonst?

In unserer ideologisch aufgeheizten heutigen Welt ist eine Aussage über das angebliche „wahre Wesen des Islam“ schwer zu treffen, weil alle gemachten Erfahrungen sich in den Einschätzungen darüber widerspiegeln würden.

Der humanistisch-aufklärerische Glaube an die Erziehung und Bildung des Menschen durch wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn und daraus folgend der „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ (Immanuel Kants Definition von „Aufklärung“) ist unser westliches, als universell gültig geglaubtes Angebot an die Welt. Ob sie es annimmt, ist nicht unsere Sache. Es könnte attraktiv sein, wenn es nur nicht durch den westlichen Imperialismus dauerhaft in Verruf gekommen wäre. Wir sind nicht überzeugend, weil die Anderen es aufgrund schlechter Erfahrungen mit uns besser wissen.

Von Muslimen mögen wir eine wissenschaftliche Untersuchung des Islam und seiner tradierten Grundlagen fordern wollen, von uns sollten wir aber vor allem fordern, uns entsprechend unserer behaupteten Überzeugungen zu verhalten. Sonst kann uns selbstverständlich niemand ernst nehmen. Ein Narr wäre, der einem Heuchler glaubt.

Nachdem die nötige geopolitische Umkehr unsererseits vollzogen wäre (wer glaubt, das ginge durch Reformen, ist sich der Macht dieses globalen, billionenschweren Gewaltsystems nicht bewusst), könnten muslimische Wissenschaftler (nicht wir) ihre Glaubensüberlieferung auf wissenschaftliche Stichhaltigkeit und logische Stringenz überprüfen.

Das könnte eventuell erst anonym geschehen, z.B. in einem anonymen Islam-Wiki, bis sich während einer Übergangszeit von ein paar Generationen kritisches Nachdenken – zunächst heimlich – langsam etablieren konnte.

Das könnte zu einem aufgeklärten Islam führen, der eventuelle Zumutungen generell mit Fassung trüge, so dass auch keine extremistische Minderheit mehr für Terrortaten mobilisierbar wäre, weil sie keinen plausiblen Grund mehr dafür anführen könnte.

Fazit

Nicht der Islam als Glaube ist das Problem, sondern der Islam verkürzt zu Politik, die einerseits unserer Nationalismus-Ideologie nacheifert (als politischer Islamismus), und andererseits gegen imperiale Aggressionen kämpft (als militant-dschihadistischer Islamismus).

Sicher, der Islam gibt gewonnenes Territorium nicht mehr frei, aber welches Recht haben wir denn, es ihm wegzunehmen? Der Teil des islamischen Glaubens, der politisch ist, sieht mir wie ein Kandidat für eine selbstkritische Hinterfragung tradierter Glaubensüberzeugungen aus. Wenn Gott Gott ist, dann ist Gott doch sicherlich größer als eine heidnische Ortsgottheit, die sich fest an ein bestimmtes Territorium bindet? Ist das also nicht vielleicht eher ein Erbe der eigenen religiösen Umwelt, oder der imperialen Vergangenheit des Islam?


* Zur Finanzierung von Moscheen und Moscheevereinen in Deutschland durch Kuwait, Vereinigte Arabische Emirate, Bosnien und Herzegowina, Palästinensische Autonomiegebiete, Saudi-Arabien, Katar, Marokko, Pakistan, Indonesien, Ägypten und Iran äußert sich die Bundesregierung „aus Gründen des Staatswohl nicht offen“ (WD 10 – 3000 – 028/18, Seite 14).