Kuba: Humanist statt Terrorist

Im August haben amerikanische Bewegungen und Bündnisse eine große Unterschriftenaktion gestartet für Kubas Streichung von der US-Liste „Staatlicher Förderer von Terrorismus“ (State Sponsor of Terrorism, SSoT) und für das Ende der US-Blockade. Organisatoren sind u.a. ALBA Movimientos, Foro de São Paulo, International Peoples‘ Assembly, World March of Women und La Via Campesina – International Peasants‘ Movement.1 Ziel ist, 1 Million Unterschriften zu sammeln.2

Von 1982 bis 2015 stand Kuba auf der SSoT-Liste. Dort stehen außerdem Syrien (seit 1979), Iran (seit 1984) und Nordkorea (seit 2017).3 2021 setzte US-Präsident Donald Trump Kuba wieder auf diese Liste, um kurz vor der Amtsübergabe an Joseph Biden ein weiteres Erbe der Obama-Ära außer Kraft zu setzen und um in Florida Wahlhilfe für die Gouverneurswahlen 2022 zu leisten.

Richard Nuccio, Bill Clintons Kuba-Berater, sagte einmal: „Offen gesagt, kenne ich niemanden in oder außerhalb der Regierung, der persönlich glaubt, dass Kuba auf die Terroristenliste gehört. Leute, die das verteidigen, wissen, dass es politische Berechnung ist. Sie beglückt einen gewissen Teil des Wahlvolks in Florida und es kostet nichts.“4

Die Wiederaufnahme auf die SSoT-Liste kostet Kuba jedoch sehr wohl etwas. Kuba wird der Zugang zu internationalen Finanztransaktionssystemen verwehrt und es kann viele Güter, wie Treibstoff, Nahrung, Baumaterial, Hygieneartikel und Medikamente, nicht mehr auf dem Weltmarkt einkaufen.

Diese Hemmnisse kommen zu den Zumutungen von über 60-jähriger US-Blockade, deren Verschärfung durch Trumps weitere 243 Sanktionen nach dem Helms-Burton-Gesetz (Abschnitt III), die Pandemie, sowie die Energiepreis- und Nahrungsmittelpreiskrisen infolge des Ukrainekrieges. Dadurch hat sich die Versorgungslage auf Kuba verschlechtert wie nie zuvor seit der Revolution 1959.

Formal führt die SSoT-Einstufung zu Sanktionen in vier Bereichen: Einschränkung von militärischen, wirtschaftlichen und humanitären Hilfsleistungen, Verbot von Waffenexporten, Kontrolle von sogen. „Dual-use“-Gütern, die zivil und militärisch eingesetzt werden können, sowie Beschränkungen für Kredite von internationalen Finanzinstitutionen wie IWF und Weltbank.

Aufgrunddessen wird aber auch Kubas Staatenimmunität übergangen, womit vor US-Gerichten Anklagen gegen Kuba möglich werden. Anklagen gegen Telekommunikationsunternehmen wurden erhoben, weil diese Telefongebühren an Kuba abführten. Fluggesellschaften erlebten das Gleiche wegen gezahlter Landegebühren. Prozesse wurden geführt, um die Rechte an kubanischen Rum- und Zigarrenmarken zu erlangen. Wenn ein US-Bürger auf Kuba getötet wird, kann das als „außergerichtliche Tötung“ verfolgt werden.5

Kubanern mit spanischer Staatsbürgerschaft kann wegen der Terror-Einstufung die Einreise in die USA verweigert werden. Kubanern in der EU können Bankkonten verweigert oder existierende „eingefroren“ werden. Manche Universitäten in den USA dürfen keine Kuba-Forschung mehr fördern, wenn damit Kontakte zu und Reisen von oder nach Kuba verbunden sind.6 Religiösen und humanitären Gruppen wurden die Geldmittel eingefroren und ihre humanitären und medizinischen Lieferungen nach Kuba blockiert. Geldüberweisungen an Familienmitglieder auf Kuba können blockiert und Konten gesperrt werden. Auch die Nutzung von Webservern und Onlinediensten kann verweigert werden.7

Allgemein sind Banken, Finanzinstitutionen, Unternehmen und Investoren übervorsichtig, wenn es um Transaktionen und Geschäfte auf Kuba geht. Dieses Klima der Unsicherheit schadet der wirtschaftlichen Entwicklung und Versorgung der Bevölkerung. Sogar Interessen der USA, wie die Entwicklung privater Kleinunternehmen oder diplomatischer Austausch über inhaftierte Oppositionelle auf Kuba, werden durch die Stigmatisierung Kubas als staatlichem Förderer von Terrorismus gehemmt.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell Fontelles antwortet am 23.8.2023 einer Parlamentarischen Anfrage von Europaabgeordneten, dass ihm bei seinem Besuch auf Kuba am 26. und 27.5.2023 Vertreter europäischer Firmen von praktischen Schwierigkeiten aufgrund der SSoT-Listung berichtet hätten. Negativ wirke sich auch aus, dass EU-Reisende, die auf Kuba waren, nicht mehr am ESTA-Programm teilnehmen können, sondern ein Visum beantragen müssen, wenn sie in die USA einreisen wollen. Als zuletzt bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen am 3.11.2022 die US-Blockade verurteilt wurde, enthielt die Begründung der EU auch eine Kritik an der SSoT-Listung Kubas.8

Das US-Magazin „Forbes“ sieht ein Risiko für andere Staaten, denen sekundäre Maßnahmen von US-Seite drohen könnten, wenn sie Beziehungen zu einem Staat auf der SSoT-Liste unterhalten.9

Die Nennung Kubas auf der Liste könnte Joseph Biden mit Verweis auf Abschnitt 6(j) des Export Administration Act einfach annullieren, aber das hat für ihn keine Priorität. Leider wird derweil der FORCE Act10 im US-Kongress diskutiert, der explizit verbieten würde, Kuba von dieser Liste zu streichen, es sei denn, eine neue Übergangsregierung erlänge auf Kuba die Macht.

Politisch begründet wurde die Listung mit drei Argumenten, die beweisen sollen, dass Kuba seiner Verpflichtung zur Beendigung von Terrorunterstützung nicht nachgekommen sei11: Kuba habe sich geweigert, Rebellen an Kolumbien auszuliefern, Kuba beherberge flüchtige US-Bürger,12 und Kuba unterstütze die Bolivarische Revolution in Venezuela.13

Seit 2017 hielten sich mehrere Mitglieder der Ejército de Liberación Nacional (ELN) zu Friedensgesprächen mit der kolumbianischen Regierung in Havanna auf. Aber ein Jahr später kam es in Bogotá zu einem Bombenanschlag auf eine Polizeiakademie mit 22 Toten und 87 Verletzten. Der konservative Präsident Kolumbiens, Iván Duque, forderte daraufhin die Auslieferung der ELN-Abgeordneten. Kuba verweigerte dies, weil das Auslieferungsabkommen zwischen Kuba und Kolumbien die Auslieferung wegen politischer Verbrechen untersagt (Titel II, Artikel 35)14 und weil Kuba und Norwegen als Garanten der Friedensgespräche die vereinbarten Verhandlungsprotokolle nicht verletzen wollten.

Duques linker Nachfolger im Amt, Gustavo Petro, zog das Auslieferungsersuchen 2022 zurück. Bei der Unterzeichnung des historischen Waffenstillstandsabkommens zwischen Kolumbien und der ELN am 9.6.2023 verurteilte Petro Kubas Einstufung als Terrorismusförderer als „tiefe Ungerechtigkeit“ und „Stoß in den Rücken“, der korrigiert werden müsse.15

Die USA werfen Kuba vor, seit den 1970er und 80er Jahren mehrere Dutzend strafrechtlich gesuchte US-Bürger zu beherbergen. Es handelt sich beispielsweise um Charles Lee Hill und Nehanda Abiodun, Mitglieder der afroamerikanischen Unabhängigkeitsbewegung Republic of New Afrika, um Assata Shakur von der Black Liberation Army und um die Puerto-Ricaner Víctor Manuel Gerena von der Unabhängigkeitsbewegung Ejército Popular Boricua und William Morales von den Fuerzas Armadas de Liberación Nacional Puertorriqueña (FALN).

Keinem dieser Gesuchten werden terroristische Taten von internationalem Charakter vorgeworfen, die eine Eintragung als „Staatlicher Förderer von Terrorismus“ begründen könnten. Zudem untersagt das Auslieferungsabkommen zwischen Kuba und den USA von 1904 die Auslieferung wegen politischer Verbrechen (Artikel VI).16

Die USA beherbergen ihrerseits viele geflüchtete Kubaner, denen u.a. Mord und Entführung vorgeworfen werden. Seit 1959 weigerten sie sich, Mitglieder der Batista-Diktatur oder später auch exilkubanische Terroristen an Kuba auszuliefern. Insgesamt zählt Kuba 3.487 Tote und 2.099 Verwundete und Invalide durch Terroranschläge von USA und Exilkubanern seit 1959.

Kuba ist folglich nicht Förderer, sondern Opfer von Terrorismus. Kuba fördert stattdessen das Gesundheits- und Bildungswesen sowie international Solidarität und Frieden:

  • Kubas Bevölkerung hat eine höhere Lebenserwartung als die der USA. Es hat etwa doppelt so viele Ärzte pro Kopf wie Deutschland. Seine internationalistischen Ärztebrigaden haben in über 100 Ländern geholfen, bis hin nach Pakistan und Nepal. In der Covid-Pandemie waren sie sogar in Italien und Andorra im Einsatz. Kubas selbst entwickelte Covid-Impfstoffe sind so gut, dass dort seit über einem Jahr niemand mehr an Covid gestorben ist.
  • Sein Alphabetisierungsprogramm hat Kuba nicht nur 1961 als erstes Land Lateinamerikas von Analphabetismus befreit, sondern es wurde auch in viele Länder exportiert.
  • Als Friedensvermittler verhalf Kuba der kolumbianischen Regierung 2016 zu einem Friedensabkommen mit den FARC-Rebellen und 2023 zu einem Waffenstillstand mit den ELN-Rebellen.
  • Kuba wurde auch zum Verständigungsort, an dem 2016 die Oberhäupter von römisch-katholischer und russisch-orthodoxer Kirche, Papst Franziskus und Patriarch Kyrill, zu einem Gespräch zusammentrafen – erstmals seit fast 1.000 Jahren.
  • Kuba ist wesentlicher Initiator der Staatenbündnisse ALBA und CELAC, die die lateinamerikanische und karibische Integration vorantreiben.

Kubas sozialistisches und humanistisches Projekt ist ein großes Symbol für viele Menschen, insbesondere in den beiden Amerikas. Kuba steht nicht allein, wenn wir ihm beistehen. Kuba ja, Blockade nein!

1Organisatoren:

  • Confederación Sindical de trabajadores y trabajadoras de las Américas
  • Foro de São Paulo
  • International Peoples‘ Assembly
  • Jornada Continental por la Democracia y Contra el Neoliberalismo
  • World March of Women
  • ALBA Movimientos
  • La Via Campesina International Peasants‘ Movement
  • Solidaridad Continental Latinoamérica y el Caribe unidos por Cuba

2https://www.letcubalive.info/

3https://www.state.gov/state-sponsors-of-terrorism/

4https://theglobalamericans.org/2021/03/part-2-the-unlawful-basis-for-cubas-designation-as-a-state-sponsor-of-terrorism/

5https://theglobalamericans.org/2021/02/part-1-a-consequence-of-relisting-cuba-as-a-state-sponsor-of-terrorism/

6https://www.miaminewtimes.com/news/potential-trump-cuba-policy-could-negatively-impact-fiu-11790578

7https://www.wola.org/analysis/human-cost-cuba-state-sponsor-of-terrorism-list/

8https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/E-9-2023-002198-ASW_EN.pdf (PDF)

9https://www.forbes.com/sites/stuartanderson/2022/07/05/why-russia-should-fear-being-declared-a-state-sponsor-of-terrorism/

10https://www.congress.gov/bill/118th-congress/house-bill/314

11https://2017-2021.state.gov/u-s-announces-designation-of-cuba-as-a-state-sponsor-of-terrorism/index.html

12https://www.state.gov/reports/country-reports-on-terrorism-2021/cuba/

13https://www.nbcnews.com/news/latino/u-s-declares-cuba-state-sponsor-terrorism-n1253770

14https://theglobalamericans.org/2021/03/part-2-the-unlawful-basis-for-cubas-designation-as-a-state-sponsor-of-terrorism/

15https://peoplesdispatch.org/2023/06/21/against-all-reason-cuba-remains-on-the-us-state-sponsors-of-terrorism-list/

16US-kubanischer Auslieferungsvertrag von 1905:
https://history.state.gov/historicaldocuments/frus1905/d295
Kommentare: https://dwkcommentaries.com/tag/treaty-between-the-united-states-and-cuba-for-the-mutual-extradition-of-fugitives-from-justice/,
https://dwkcommentaries.com/2015/02/24/issues-regarding-cuba-and-u-s-extradition-of-the-others-fugitives/