IT-Rundumschlag 10/21

Digitale Präventivschläge gegen die eigene Bevölkerung

Das am 10. Juni 2021 im Schatten der Pandemie von der Großen Koalition beschlossene „Gesetz zur Anpassung des Verfassungsschutz­rechts“ und das neue Bundes­polizei­gesetz erlauben allen Verfassungsschutz­ämtern das Hacken von Endgeräten, um Menschen zu überwachen. Zur Terrorabwehr dürfen Staatstrojaner nun auch eingesetzt werden, obwohl die überwachte Person keiner Straftat verdächtigt ist. Das nennt sich „präventive Tele­kommunikations­überwachung“. Erlaubt ist nur, aktuell stattfindende Kommunikation mitzuverfolgen. Gespeicherte Daten sollen tabu sein. Provider müssen künftig den Behörden tatkräftig dabei helfen, die Bundestrojaner in die Endgeräte einzuschleusen.

Was auf dem Papier steht, ist schlimm. Was in Wirklichkeit geschieht, ist meistens schlimmer. Die Terroristen, die vom Verfassungsschutz bisher so oft gedeckt wurden (NSU, Amri …), werden weiterhin ihren kontrollierten Aktivitäten nachgehen, während diese Gesetze hauptsächlich gegen Menschenrechts-, Bürgerrechts- und Umwelt-Aktivisten angewendet werden. Dabei werden Tabus missachtet, und Unverdächtige können niemals ihre Unschuld beweisen, weil der Generalverdacht des Kommunismus grundsätzlich schwerer wiegt als jedes papierne Recht und Gesetz. „Gute Nazis“ gegen „böse Kommunisten“ – das ist Ursprung und Geschichte des Verfassungsschutzes in Deutschland. Das war so, das ist so, das wird so sein.

Quelle: c’t 2021, Heft 14, Seite 46.

Browser of the Brave

Im Privacy-Test der c’t hat der Brave-Browser am besten abgeschnitten. Chrome, Edge, Firefox, Opera, Safari und Vivaldi schwächeln unterschiedlich stark. Brave hat nahezu keine Mängel. Bis auf die Fingerprinting-Methode FingerprintJS verhindert er zuverlässig Tracking, andere Fingerprinting-Methoden, lässt sich der Versand von Diagnosedaten an den Entwickler gut deaktivieren und werden URL-Eingaben sowie aufgerufene URLs nicht an den Entwickler weitergegeben. Google, Microsoft, Opera und Apple sind durchaus neugieriger. Firefox kann manchmal Tracking nicht unterbinden, tut nichts gegen Fingerprinting, und sendet URL-Eingaben an Google & Co.

Die Inkognito-Browserfenster von Brave nutzen Tor. Brave verwendet die Chromium-Engine von Google, aber Google erfährt nur, welche intern genutzten Erweiterungen angefordert wurden. Als Suchmaschine ist DuckDuckGo voreingestellt. Ein Werbeblocker ist integriert. Wer gezielt Werbung erlaubt, bekommt sie von Brave als Benachrichtigungen eingeblendet. Wenn daraus Gewinn abfällt, teilt Brave diesen Gewinn unter sich, seinen Nutzern und werbenden Website-Betreibern über das im Browser integrierte Krypto-Wallet.

Mitgründer und CEO von Brave ist Brendan Eich, der 1995 den Javascript-Vorläufer Mocha innerhalb von zwei Wochen für den Netscape Navigator erfunden hatte und jahrelang CEO der Mozilla Foundation war. Brave soll unbeschwertes Surfen ohne Werbung und Tracking ermöglichen. Da Eich immer wieder durch rechtskonservative Spenden und Aussagen auffällt, dürften aber am ehesten libertäre US-Amerikaner an seinem Browser Gefallen finden, dessen Name diesem Nutzerkreis wohl kaum zufällig aus dem Herzen sprechen dürfte – wie auch der Löwenkopf als Logo. An sich stecken darin aber interessante Ideen, auch die tiefsinnig kapitalistische, die Nutzer durch ein kleines Incentive am Anzeigenerlös mitzubeteiligen. Wer gibt nicht gern viele Euro aus, um dafür wenige Cent zurück zu erhalten? Entschleunigte Textwüsten- und Leerflächen-Asketen bleiben aber einfach beim originalen Tor-Browser.

Quelle: c’t 2021, Heft 14, Seite 20.

Künstliche Kreativität im Informationskrieg

Die US-Firma OpenAI hat ihre KI „Generative Pre-trained Transformer“ (GPT-3) anhand von Millionen menschenverfasster Texte aus dem Internet schon so weit entwickelt, dass sie nur eine kurze Einleitung als Starthilfe braucht, um selber authentisch wirkende Texte zu verfassen. Das Missbrauchspotential ist enorm. Wissenschaftler der Georgetown University in Washington D.C. haben deswegen getestet, wie gut GPT-3 Fake News in Massenproduktion erstellen kann. Es zeigte sich, dass GPT-3 effektiv eigene Nachrichten schreiben, fremde Nachrichten umschreiben und typische Schreibstile aus dem QAnon-Milieu imitieren kann. Da ging so weit, dass Umfrageteilnehmer nach Berieselung mit den KI-Texten ihre ursprüngliche Meinung änderten.

Das bedeutet, Medienkompetenz ist bald unmöglich. Letztlich werden künstlich erzeugte Inhalte (Bilder, Videos und Texte) nicht mehr von echten oder menschlichen Werken unterschieden werden können. Dann kann es nur noch darum gehen, welche Beschreibung und Deutung von Wirklichkeit uns selbst die einleuchtendste und verfechtenswerteste zu sein scheint. Ohnehin sollte keine Ideologie, die in einer Nachrichten-Blase konstruiert wurde, über das Welt- und Menschenbild entscheiden. Anhand der realen Erfahrungen und im Kontakt mit Menschen und der Umwelt, sollten sich alle un-mittelbar – das heißt, nicht vermittelt durch irgendwelche Medien – der Realität rückversichern und ihre Meinungen bilden. Wenn Medien nicht mehr zu trauen ist, sind sie derart in der Krise, dass ihr Konsum beendet werden muss.

Quelle: c’t 2021, Heft 14, Seite 44.

Der Marktführer Deines Vertrauens

WhatsApp gewinnt bei einer Umfrage, welchem Messenger die Nutzer am ehesten vertrauen. Gegenüber den Datenschutz-Messengern Telegram, Signal und Threema hegen WhatApp-Nutzer überwiegend Misstrauen. Auf Platz 2 kam der Facebook Messenger. Die Marketing-Abteilung von Facebook kann sich also auf die Schultern klopfen. So sehen Sieger aus!

Der Grund für Vertrauen und Misstrauen hat hier selbstverständlich keine sachlichen Aspekte. Es geht mal wieder nur darum, irrational dem eigenen Selbstbild zu versichern, die richtige Wahl getroffen zu haben. Denn was man nutzt, muss ja gut sein. Und alle Freunde nutzen es auch. Und die anderen kennt man nicht. Wieso sollte man denen also vertrauen? Und überhaupt, nicht auszudenken, was für Umstände es bereiten, und welche sozialen Verluste es bedeuten würde, wenn man einen Wechsel auf eine Alternative erwägen würde? Bei so viel Anstrengungs- und Verlustängsten musste die confirmation bias einfach den Sieg davon tragen!

Bitcoin vs. E-Yuan

China hat Bitcoin-Farmen in der Inneren Mongolei, Xinjiang und Sichuan vom Stromnetz abgetrennt. Das ist schon mal gut für die CO2-Bilanz, in Sichuan allerdings nur indirekt, indem die dort vorherrschende Wasserkraft nun anderen Verbrauchern zur Verfügung stehen kann. Der eigentliche Grund für die drastischen Maßnahmen dürfte aber die Einführung des E-Yuan sein. Der E-Yuan ist Zentralbankgeld. Für jeden ausgegebenen E-Yuan wird ein physischer Yuan eingezogen. Überweisungen können zweckgebunden sein. Und sie können ein Ablaufdatum bekommen. Vom Anfang bis zum Ende ist die Verwendung komplett überwachbar.

NATO-Bündnisfall Cyberangriff

Die NATO geht mit der Zeit und sieht Cyberangriffe nun offiziell an Angriffe an, die kinetischen Angriffen gleichkommen. Damit erlaubt sie sich selbst, alle Mittel einzusetzen, die sie auch einem physischen Angriff entgegensetzen würde. Letztlich wäre also auch ein Atomschlag erlaubt, so wie es Hardliner in den USA seit Jahren fordern. Vermutlich wird das aber nicht das bevorzugte Mittel sein, denn die konventionelle Palette enthält zahlreiche Problemlöser, die vorher zum Einsatz kommen können. Vielleicht noch nicht unbedingt Russland, wohl aber Nordkorea, Iran und Venezuela müssen sich bald auf NATO-„Vergeltungsschläge“ gefasst machen.

Unbeachtet wird dabei bleiben, dass die Attributierbarkeit- die Zuschreibbarkeit: wer ists gewesen? – von Cyberangriffen ein grundsätzliches Problem darstellt. Wie leicht könnte ein böswilliger Urheber ein fremdes Computersystem übernehmen und von dort aus einen verheerenden Angriff gegen ein NATO-Land ausführen!

Die forensischen Kompetenzen der westlichen Allianz sind nur allzu bekannt: Die Versenkung der USS Maine 1898 im Hafen von Havanna, der Tonkin-Zwischenfall von 1964, die Brutkasten-Lüge, Scharpings Hufeisenplan, Saddams Massenvernichtungswaffen, Assads Chemieangriffe, bis hin zu einer verbeulten Buk-Rakete, die angeblich MH-17 über der Ukraine getroffen habe solle, obwohl sie dabei explodiert und in tausend Teile zersplittert wäre – westliche „Experten“ stehen in der unrühmlichen Tradition, inszenierte, falsche und vorgeschobene Kriegsgründe geliefert zu haben. Die nächsten Kriege werden also wohl Hacker in NATO-Diensten vom Zaun brechen.