IT-Rundumschlag 7/21

Das digitale Proletariat

Während der Coronakrise hat die Digitalisierung einen Zahn zugelegt. Im boomenden Online-Versandhandel liegen die Nerven der Ausgebeuteten aber schon länger blank. Technische Fortschritte werden auch dort gegen die arbeitenden Menschen verwendet. Krank machende Arbeitsbedingungen, Dauerkontrollen, Arbeitsplatzvernichtung, schlechte Entlohnung und Zerstörung lokaler Konkurrenz werden die Digitalisierung begleiten wie eine Schneise der Verwüstung, denn all dies sind sachlogische Folgen eines profitorientierten, kapitalistischen Wirtschaftssystems, das von Gesellschaft und Politik nicht beherrscht wird, sondern das über diese herrscht.

Das Internet wird homogener

Die Diversität im Internet nimmt ab. Immer weniger Dienste konzentrieren den weltweiten Datenverkehr auf sich. Immer häufiger werden die immer gleichen Domains verlinkt, seien es Facebook, Twitter, Instagram, Youtube, Wikipedia, Spotify oder Dropbox. Große Schuld daran trägt Googles „PageRank“, der Websites danach bewertet, wie häufig eine Website von anderen verlinkt wird. Platzhirsche werden dauerhaft begünstigt. Neulinge haben es schwer und müssen teuer Anzeigenplätze kaufen. Frei nach dem biblischen Motto „Wer hat, dem wird gegeben, und wer nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat.“

Toyota Woven City

Toyota baut am Fuße des Fujiyama eine Smart City, in der 2.000 Menschen die vernetzte, smarte Zukunft ausprobieren sollen. Der erste Spatenstich für die „verwobene Stadt“ auf einem alten Werksgelände des Konzerns geschah im Februar diesen Jahres. In wenigen Jahren sollen die ersten Bewohner in die Stadt ziehen und dort umgeben sein von In-Home-Robotik, sensorbasierter, künstlicher Intelligenz, autonomer, emissionsfreier Mobilität und unterirdischem Güterverkehr. Gut möglich, dass die City dann smarter ist als ihre Bürger, die von der smarten Technik bevormundet und in ihrer Freiheit eingeschränkt werden.

Super-KI unaufhaltbar

Eine Gruppe von Wissenschaftlern, Philosophen und Technikern warnt davor, dass eine künstliche Superintelligenz nicht beherrscht werden könne. Eine Superintelligenz würde ein Programm ausführen, dass potentiell den gesamten Zustand der Welt als Input verarbeiten würde. Um sie einzuhegen, müsste ein Eindämmungsprogramm ebendiese Superintelligenz und ihre Verarbeitungsprozesse simulieren – und sie außerdem noch kontrollieren. Das wäre theoretisch und praktisch unmöglich.

Industrie 4.0 oder Industrie 1984?

Ursprünglich hatte die Industrie 4.0 die vierte industrielle Revolution sein sollen, nach Dampfkraft, Massenfertigung und digitaler Revolution. Das „Internet der Dinge“ sollte in die Industrieproduktion überführt werden. Dieses Verhängnis hat bisher zum Glück nur etwa 10 Prozent der bundesdeutschen Produktion ereilt. Viel mehr als Überwachung von Arbeitsleistung und Verhalten der Beschäftigten ist dabei nicht heraus gekommen. Die Arbeiter werden nur noch mehr zu Sklaven des Systems.

Krypto-Währungen sind ein globales Problem

Das Mining von Krypto-Währungen erfordert einen absurden Energieverbrauch. Allein für Bitcoin wird 2024 in China ein Energieverbrauch von 300 Terawattstunden prognostiziert, was dem Gesamtverbrauch Großbritanniens entspricht. Zugleich kämpfen viele Wirtschaftsbereiche mit Lieferengpässen und Preissteigerungen, weil große Teile der Weltproduktion an Chips und SSDs für Krypto-Mining aufgekauft werden. Es ist nötig, dass Länder bei sich Kypto-Mining regulieren, während andere Länder zumindest den Handel damit limitieren sollten. China scheint gewillt, das zu tun, um seine Klimaziele nicht zu gefährden. Aber was ist mit den anderen Ländern auf der Welt?

Deepfake Geography

Ganz früher galten Luft- und Satellitenbilder als Beweise schlechthin, z.B. die Fotos von sowjetischen Atomraketen auf Frachtern in Richtung Kuba 1962. Die Satellitenbilder, die Colin Powell – als angebliche Beweise für Massenvernichtungswaffen im Irak – 2003 den Vereinten Nationen präsentierte, markierten dann aber schon die Trendwende in Sachen Glaubwürdigkeit. Seit 2018 ist Bild- und Video-Manipulationssoftware so gut, dass sie nicht nur Filmstars vermeintlich zu Pornostars werden lässt, sondern auch US-Präsidenten täuschend echt imitieren kann. Vor solchen „Deepfakes“ ist vermutlich kein Lebensbereich sicher. Geografische Deepfakes von Satellitenbildern könnten z.B. Desinformationen verbreiten und Verschwörungstheorien unterstützen. Nötig sind Tools, die Fälschungen erkennen. Fälschungen von zwielichtigen Akteuren – und von undurchsichtigen Regierungen und Behörden.

Verfassungsschutz soll verschlüsselte Chats mitlesen dürfen

Die Große Koalition will dem Inlands­geheimdienst die Quellen-Tele­kommunikations­überwachung erlauben. Messenger wie Whatsapp, Telegram und Signal, die Ende-zu-Ende-verschlüsseln, sollen für staatliche Behörden Hintertüren einbauen, damit diese gezielt Quellen abhören können. Oppositions­parteien, Datenschützer und IT-Branche kritisieren das. Whatsapp nennt es „eine Gefahr für die Privatsphäre und IT-Sicherheit aller“. Die liebe Regierung will damit selbst­verständlich nur böse Rechts­terroristen belauschen, sonst niemanden.

DSGVO gescheitert

Mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sollten den Big-Data-Konzernen des Sillicon Valley Zügel angelegt werden. Drei Jahre später ist daraus nichts geworden. Schuld ist die irische Datenschutzbehörde, die aus steuerpolitischer Scheu und Personalmangel nicht die in Irland registrierten Riesen wie Google, Facebook, Twitter & Co. auf Format stutzt. Auch die EU-Kommission ist untätig, obwohl sie schon längst ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Irland – und Luxemburg – hätte einleiten müssen. Auch Großbritannien bleibt unbehelligt, obwohl dorthin widerrechtlich persönliche Daten aus EU-Ländern exportiert werden, die für die britische Wirtschaft einen Wert von 85 Milliarden Pfund haben.

Signal wollte Facebook demaskieren

Das Team hinter dem Messenger Signal wollte bei Facebook personalisierte Werbe-Anzeigen schalten, die den Nutzern zeigen, was Facebook über sie weiß, beispielsweise: „Sie sehen diese Anzeige, weil sie frisch verheirateter Pilates-Ausbilder sind und verrückt nach Cartoons. Diese Anzeige nutzt Ihren Standort, um zu wissen, Sie sind in La Jolla. Sie interessieren sich für Erziehungsblogs und denken über eine LGBTQ-Adoption nach.“ Leider hat Facebook einen zu gut funktionierenden Anzeigen-Freigabeprozess, so dass diese Anzeigen nie freigeschaltet wurden.

Sicherheitsrisiko vernetzte Alarmanlagen

Die Funkalarmanlage Abus Sevcest FUAA50000 konnte bis Firmware-Update 3.01.21 leicht an der Nase herum geführt werden. Ohne Authentifizierung verriet sie Admin-PIN, Konfiguration, Telefonnummern und Nutzernamen. Automatisch wurde die neue Firmware nur auf 10 Prozent der Alarmanlagen eingespielt, viele der Übrigen habe vielleicht noch heute „Tag der offenen Tür“ für Hacker.

Datenschleuder Fax

Faxe, der deutschen Behörden liebstes Kind, werden heutzutage oft an Computer weitergeleitet und von dort per E-Mail (unverschlüsselt) verschickt. Daher sind sie in Sachen Datenschutz so unsicher wie eine unverschlüsselte E-Mail oder eine Postkarte. Nach Artikel 9, Ansatz 1, der DSGVO ist die Nutzung von Fax-Diensten für personenbezogene Daten daher unzulässig. Ende-zu-Ende verschlüsselte E-Mails oder Briefe werden als Alternativen genannt, wobei inzwischen manche E-Mail-Anbieter die E-Mail-Zustellung von Briefen anbieten und sich daher ebenfalls auf dünnem Eis bewegen dürften.