Das nächste Internet

Tim-Berners Lee, der Erfinder des World Wide Web, hat einen Plan entwickelt, wie das Internet vor der Einflussnahme durch antidemokratische Regierungen und datenhungrige Konzerne gerettet werden kann. Dabei geht es um Daten-Souveränität, also um die volle Kontrolle der Nutzer über ihre Daten.

Das heutige Internet

Das heutige Internet ist darauf ausgelegt, den Nutzern bei jedem Klick ihre Daten zu entwenden. Zugrunde liegt die Ansicht, dass diese Daten nicht das persönliche Eigentum der Nutzer seien, sondern etwas, dass man einfach so kopieren und diese kommerziell nutzen könne. Das Urheberrecht wird Jahrzehnte über den Tod hinaus verteidigt, aber persönliche Daten sind Freiwild.

Dabei spielt der „Netzwerk-Effekt“ den Datensammlern in die Hände. Je mehr Nutzer eine bestimmte Plattform hat, desto mehr Nutzer wollen auch zu dieser Plattform kommen. In der Folge können noch mehr Daten gesammelt werden – und es entstehen Monopole.

Diese Monopole haben Namen:

  • GAFAM in den USA: Google, Apple, Facebook, Amazon, Microsoft
  • BAT in China: Baidu, Alibaba, Tencent

Zudem haben staatliche Behörden Monopolmacht über die Daten ihrer Bürger.

Das datensouveräne Internet

Tim Berners-Lee hat sich nun zur weltweiten Bewegung hinzugesellt, die ein datensouveränes Internet anstrebt. Dazu hat er kürzlich eine Firma gegründet, Inrupt, die ein neuartiges System von „pods“ erschaffen will – von „personal online data stores“.

Das bedeutet, jeder Internetnutzer hat einen eigenen Datentresor. Die Daten werden nicht an andere Firmen im Internet übertragen. Sie bleiben zuhause. Einen Firma kann einen Pods anfragen, und im Gegenzug bestimmte Leistungen versprechen, z.B. die Lieferung einer Bestellung an eine bestimmte Adresse.

Dann ist allerdings noch das Silicon-Valley-Startup Solid im Spiel. Webseiten, die einen Pods anfragen möchten, müssen sich bei Solid authentifizieren. Das wird mit einer Bank verglichen, in der die Pods untergebracht sind.

Wie Solid als universelle Zwischeninstanz nicht die Kontrolle über die Handlungsfreiheit des Nutzers übernehmen soll, bleibt unklar. Solid – als technisch zugrunde liegende Monopolinstanz – könnte irgendwann Geld nehmen, dem Staat Zugriff gewähren oder sogar die Kontrolle an ihn übergeben.

Das dezentrale Internet

Ein anderer Ansatz ist das DWeb, das dezentrale Internet, mit besserer Benutzerkontrolle und mehr Wettbewerb von Firmen ohne Monopolisten.

Heute liegen Webseiten auf Webservern. Ein Websurfer ruft sie im Browser auf.

Das DWeb hingegen würde aus Peer-to-peer-Computern bestehen. Die Webseiten würden auf vielen Computern liegen. Die Rechner der Nutzer würden nicht nur Daten abrufen, sondern auch solche versenden. Im Effekt würden die Webseiten und Dienste des DWeb-Internet nicht bei wenigen großen Anbietern liegen, sondern milliardenfach verstreut auf allen mit dem Internet verbundenen Rechnern auf der ganzen Welt. Das ist eigentlich auch die ursprüngliche Idee des Internets, ausfallsicher durch Verteilung zu sein, selbst im Falle eines Atomkrieges.

Dezentralisierte Projekte

  • Databox Project: Ein lokaler Open-Source-Tresor für die eigenen Daten.
  • Zeronet: Websites werden nicht auf einem Server gehostet, sondern liegen verteilt auf vielen Rechnern und werden mit einer Blockchain-Kryptografie verschlüsselt.
  • DTube: Videos liegen verteilt in einem dezentralisierten Netzwerk und sind ebenfalls Blockchain-verschlüsselt.

Probleme eines dezentralisierten Internets

  • Wie soll man jemanden vom DWeb überzeugen, wo es doch mehr Eigenverantwortung erfordert, man nicht mehr alles in einem Laden zum günstigsten Preis bekommt, und man nicht mehr alle auf einer Plattform treffen kann? Mehr Aufwand für viele Nachteile? So selbstlos sind nur die Wenigsten.
  • Die Strafverfolgung im Internet würde erschwert oder unmöglich. Online-Mobbing oder Kinderpornos wären verteilt auf vielen, nicht ermittelbaren Rechnern, die über die ganze Welt verstreut sind.
  • Dezentralisierung bedeutet nicht automatisch ein Ende ungerechter Machtstrukturen. Bitcoin steht inzwischen in der Kritik, ein Oligopol herausgebildet zu haben.

Das soziale Internet

Das europäische DECODE-Projekt stellt eine Infrastruktur für Neugründungen in der Digitalwirtschaft zur Verfügung. Dabei wird garantiert, dass alle Daten, die dabei verarbeitet werden, für soziale und kommunale Zwecke genutzt werden. In Barcelona sind im Rahmen dieses Projektes viele Internet-Initiativen entstanden, die soziale, gemeinfreie, partizipative und solidarische Dienste im Internet anbieten.

Das ist nett und lieb gemeint. Sie versuchen im heutigen, von Monopolen beherrschten Internet eine kooperative Nische zu etablieren. Leider ist das wie Graswurzeln gegen Bulldozer, oder mit Selbstgestricktem vor einem pakistanischen Textilfabrik-Gefängnis herumwedeln.

Das Internet in einer basisdemokratischen, klassenlosen und gemeinwohlorientierten Welt

Der lammfromme Graswurzelansatz ist chancenlos in einer kapitalgetriebenen Umwelt, in der Billionen eingesetzt werden, um aus der Welt und der Menschheit Trillionen zu pressen.

Das Internet – genauso wie jede andere Branche oder Lebensbereich – kann nicht geändert werden, wenn das allen zugrunde liegende Wirtschaftssystem unangetastet bleibt. Es wird niemals ein datensouveränes, dezentralisiertes oder soziales Internet in relevanter Größe geben können, solange milliarden- und billionenschwere Weltmonopole, dem Kapitalschutz verpflichtete Staaten und damit konkurrierende autoritäre Systeme das Ruder in der Hand haben.

Das Ruder gehört in die Hand der Menschen. Nur dann wird ein Kurswechsel stattfinden. Vorher ist das unmöglich.