Buchstabieren mit Viren

Die Welt des Lebens und der Viren ist dreisprachig: ATCG kennen alle Lebewesen, AUCG können die meisten Viren, aber ZTCG, das bisher als einzigartig galt, ist mindestens 200 cyanophagen DNA-Virenarten zu eigen. Was das mit den Russen und Super-Soldaten zu tun haben mag, lest Ihr hier.

Buchstaben-Salat

Unser Erbgut ist eine wendeltreppen­förmige Ansammlung aus Bauplänen, Verfahrensanweisungen, Schaltern und Nonsens-Prosa, die aus nur vier Buchstaben gebildet wird: A, T, C und G. Diese Buchstaben stehen für die vier Nukleotide Guanin, Cytosin, Thymin und Adenin. Aus ihnen setzt sich unsere DNA zusammen. Dieses kleine Alphabet teilen wir mit allem Leben auf diesem Planeten.

Bei Viren ist das anders. Sie zählen nicht zu den Lebewesen und sie benutzen statt Thymin Uracil. Einige Bakterien-fressende Viren haben jedoch eine andere Eigenart: Statt Adenin haben sie 2-Aminoadenin, das mit einem Z abgekürzt wird.

Der Sputnik-Z-Moment in der Erdgeschichte

Neuen Studien zufolge sind Viren mit Z-Genom weiter verbreitet als gedacht und bieten mehrere Vorteile: Die beiden DNA-Hälften sind fester miteinander verbunden, weil Z und T eine zusätzliche Wasserstoffbrücke miteinander bilden. Dadurch sind sie widerstandsfähiger gegen Hitze. Und bakterielle Proteine, die normale Viren-DNA oder -RNA zerstören, sind zu schwach, um Z-DNA zu zerlegen.

Erstmals wurden solche Viren mit Z-Genom 1977 von russischen Wissenschaftlern entdeckt, die Cyanophagen analysierten, also Viren, die sich von Cyanobakterien ernähren. Seitdem dachte man, das sei eine einmalige Besonderheit in einer Virenart. Nun wurde das aber bei über 200 Virenarten festgestellt.

Wenn ein Z-Virus seine DNA von einem Cyanobakterium vervielfältigen lässt, bilden die zwei Enzyme PurZ und PurB in der Bakterie ein vorläufiges Z-Molekül. Danach baut das Enzym DpoZ daraus das endgültige Z-Nukleotid, und zwar so, dass ausschließlich das Z-Nukleotid entsteht, aber kein Adenin. Die hauseigenen „Fabrikarbeiter“ der Cyanobakterien fertigen also stur Virenkopien mit Z-Genom an.

Besonderes Interesse weckt das Protein PurZ. Es ist verwandt mit dem Protein PurA, das in Archaeen Adenin zusammensetzt, und deswegen vermutlich ebenfalls sehr alt ist. Die Proteine PurZ und DpoZ werden meistens gemeinsam vererbt.

Manche Forscher vermuten, dass sie schon sehr früh entstanden sein könnten, schätzungsweise vor 3,5 Milliarden Jahren. Aber nicht notwendigerweise hier auf der Erde. 1969 fiel ein Meteorit in der Antarktis nieder, der u.a. Z-Nukleotide in sich trug.

Die lange Entwicklungsgeschichte wirft sogar die Frage nach der Henne und dem Ei auf:

  • Viren als Schadprogramm: Sind Bakterienfabriken ursprünglich von Z-Viren dazu genötigt worden, Z-Moleküle zu bauen?
  • Fehlerhafter Kopierprozess: Oder hat eine Mutation in den Bakterien dazu geführt, dass von normalen Viren-Vorlagen fehlerhafte Z-Virenkopien angefertigt wurden?
  • It’s not a bug, it’s a feature: Oder gab es früher gar viele weitere Viren – und womöglich sogar Lebensformen – mit einem Z-Erbgut?

Aschenputtels Hemmschuh

Das Z-Genom ist zwar alt und widerstandsfähig. Für ein Dasein auf der frühen, noch sehr heißen Erde war das vorteilhaft. Aber es dürfte sich wohl eher nicht stark verbreitet haben, weil die zusätzliche Wasserstoffbrücke in seinem Genom Mutationen erschwert – und damit der Evolution im Wege stand, sobald die Umweltbedingungen auf der Erde gemäßigter wurden. Es wurde dann einfach verdrängt und überflügelt.

Dr. Frankensteins Werkzeugkasten

Diese Widerstandsfähigkeit weckt nun allerdings auch das Interesse der Forscher, weil dies neuartige gentechnische Möglichkeiten eröffnet:

  • Therapien, die Bakteriophagen einsetzen, könnten damit verbessert werden, insbesondere um antibiotika-resistente Bakterien zu bekämpfen.
  • Gen-Therapien könnten damit dauerhafter und zielgerichteter ausgeführt werden.
  • Das Z-Genom könnte in normale Zellen eingefügt werden, um Zellfunktionen zu verbessern.

Bleibt also nur zu hoffen, dass damit keine Killer-Viren oder Super-Soldaten erschaffen werden!