ZeroCovid

Wahrscheinlich wird die globale Pandemie wegen der schleppenden Durchimpfung bis 2023 oder 2024 andauern, besonders wenn uns neue Varianten wieder auf die Anfangsposition zurücksetzen sollten. Was man in 2-4 Monaten mit einer ZeroCovid-Strategie hätte beenden können, wird also 2-4 Jahre dauern. Deswegen sind bald 2,5 Millionen tot, vielfach mehr durch Krankheit und Behandlung traumatisiert, zig Billionen an Schulden gemacht worden, mehrere Milliarden Menschen ärmer geworden, und Schulkinder durch Bildungsverluste lebenslang von Einkommensverlusten bedroht.

Aber trotzdem wird ZeroCovid, also eine Strategie zur Ausrottung (Eradikation) der Krankheit, von den Meisten abgelehnt. Bisher haben die Petition nur etwas über 90.000 unterschrieben. In den Medien wird sie entweder als unrealistisch oder als unmenschlich abgetan.

Die Inseln der Seligen?

Dass es auch unter demokratischen Umständen möglich ist, eine Pandemie mit dieser Strategie zu beenden, haben u.a. Neuseeland, manche australische Städte und Taiwan gezeigt. Die neuseeländischen Wähler*innen haben ihre Regierungspartei dafür bei den Wahlen im Oktober 2020 mit dem größten Wahlsieg seit 1946 belohnt. Dort wurden dann auch Weihnachten und Silvester in aller Freiheit gefeiert.

Die Insel Taiwan mit 23 Mio. Einwohnern hat 8 Coronatote. Neuseeland mit 5 Mio. Einwohnern hat 25 Coronatote. Wie Irland, das bei gleicher Bevölkerungszahl hundertmal mehr Coronatote hat. Oder wie Island, das nur etwas mehr Coronatote als Neuseeland hat, dafür aber auch 14 Mal weniger Einwohner. Oder wie Großbritannien mit 14 Mal mehr Einwohnern und 4.400 Mal mehr Coronatoten (im Verhältnis zur Bevölkerungszahl: über 300 Mal mehr). So viel zum „Insel-Argument“.

Ein zwar nicht demokratisches, dafür aber kontinentales Flächenland wie Vietnam mit 100 Mio. Einwohnern hat – international anerkannt (US-amerikanisches CDC, aber auch europäische Wissenschaftskontakte sehen keinen Grund zu Skepsis) – 35 Coronatote. Dass es dort immer warm wie im Sommer sei, zählt nicht, denn Indonesien hat zwar die dreifache Einwohnerzahl, aber mit über 30.000 Coronatoten fast 300 Mal mehr Coronatote. Die Philippinen mit gleicher Einwohnerzahl haben über 10.000 Coronatote, also ebenfalls etwa 300 Mal mehr Coronatote.

Die offenen Einfallstore

Für eine ZeroCovid-Strategie müssen Grenzen geschlossen und der Reiseverkehr durch 14-tägige Quarantäne- und Testschleusen gehen. Die EU mit ihrem Credo offener Grenzen hat offenbart, dass sie der Herausforderung einer Pandemie hilflos gegenübersteht. Auch die Just-in-Time-Ökonomie begünstigt Pandemien.

Sind die EU in ihrer jetzigen Verfasstheit und die Just-in-Time-Ökonomie unantastbare Vernunftwahrheiten, oder sollten wir einsehen, dass hier deutlicher Reformbedarf besteht? Müssen wir weiterhin das Falsche machen, weil wir nicht den Willen haben, uns mit unseren Nachbarn über die Strategiefrage auszutauschen? Sind wir uns sicher, dass sie keinen Vernunftgründen zugänglich und auf keinen Fall lernbereit sind?

Strategien

Es ist keine Frage der Geografie, sondern der Strategie, wie gut ein Land mit einer Pandemie zurechtkommt. Es gibt drei Strategien:

  1. Durchseuchung (die Überlebenden haben Herdenimmunität)
  2. Eindämmung (Abflachung der Kurve)
  3. Eradikation (des Virus bzw. der Krankheit)

Strategie der Durchseuchung

Die Durchseuchung wird von Querdenkern, Verharmlosern und selbsternannten Corona-Skeptikern verfochten. Um den Preis unzähliger Kranker und Toter wollen sie einfach nur frei sein.

Nach Immanuel Kant solle man das tun, was zugleich Maßstab einer allgemeinen Gesetzgebung sein könne. Nach Rosa Luxemburg ist Freiheit immer die Freiheit des Anderen. Was also, wenn der Andere durch meine Freiheit stirbt? Durchseuchung als moralischer Imperativ ist ein vollkommen widersinniger Schluss.

Durchseuchung um der eigenen Freiheit willen ist blanker Egoismus und skrupellose Willkürfreiheit. Freiheit ist Autonomie, also Eigen-Gesetzgebung. Kurzzeitig Pause machen, um alle zu retten, ist ein vernünftiger Ansatz. Umso erschreckender, wie Querdenker mit Transparenten herumliefen, die Kants Aufklärungsmotto „Sapere aude!“ trugen. Das bedeutet, habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.

Eine Variante dieser Denkweise ist der Schutz von Risikogruppen, während die Restgesellschaft durchseucht wird. Da Risikogruppen etwa 30 % der Bevölkerung ausmachen, verurteilt man diese also zu jahrelanger Isolation und deren Kontakte zu ebenso langen Schutzmaßnahmen. Zählt das Recht auf Inklusion etwa nicht?

Die angebliche Herdenimmunität steht bei Covid-19 sehr in Frage. Wahrscheinlich währt sie nur ein halbes Jahr. Dann geht es wieder los. Mehrere erneut Infizierte sind bereits an Covid-19 gestorben. In Pools mit vielen Erkrankten – wie den brasilianischen und südafrikanischen Slums, aber auch den englischen und kalifornischen Ballungsgebieten – führt deren Antikörper-Schutz zu einem Evolutionsschub in der Mutationsbildung, was bereits zu mehreren infektiöseren Varianten geführt hat, oder zu Varianten, deren Eigenschaften stark verändert ist, so dass Impfstoffe schlechter wirken und angepasst werden müssen, was wiederum Zeit, Geld und Menschenleben kostet.

Strategie der Eindämmung

Eindämmung als Strategie, also Verwaltung einer Krankheit und Koexistenz mit ihr, führt zu zahlreichen Problemen und Schäden. Außerdem ist sie ein Glücksspiel. Denn niemand weiß am Beginn einer neuen Seuche, ob und wann eine Impfung oder Heilmittel dagegen gefunden wird. Die Entstehung neuer Varianten/Mutationen bringt zusätzliche Unwägbarkeiten.

Eindämmung führt zu einer langwierigen Pandemie mit vielen Kranken, Toten, Billionenkosten, zahllosen Geschäftsaufgaben und Einkommensverlusten, Bildungsverlusten und langfristigen Freiheitsbeschränkungen.

Ob die zur Beendigung der Pandemie nötigen über 70 % Impfquote freiwillig erreicht werden, zumal global, ist eine zusätzliche Unwägbarkeit. Sicher wäre nur eine globale Pflicht-Schutzimpfung (medizinisch begründete Ausnahmen natürlich vorbehalten).

Wahrscheinlich wird es dauerhaft zu Kranken und Toten kommen. Koexistenz mit einer Krankheit erfordert Opfer.

Strategie der Eradikation

Die Strategie der Eradikation ist die kürzeste und günstigste Strategie – nach Zeit, Kosten und Menschenleben. Sie erfordert allerdings den nötigen politischen Willen sowie gesellschaftliche Organisation und Disziplin. Man kann alle Herausforderungen meistern. Wenn man nur will. Denn wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.

Zu sagen, das sei unrealistisch, ist letztlich ein Eingeständnis des eigenen Unwillens. Einige Länder haben diese Strategie erfolgreich realisiert. Darum ist es nicht unrealistisch, sondern wir sind unwillig oder unfähig es zu realisieren. Das ist ein (tödlicher und teurer) Unterschied!

Zur Ablehnung auf teilweise unmenschliche Härten in China hinzuweisen, ist kurzschlüssig. Warum sollen falsche oder unmenschliche Maßnahmen nachgemacht werden? Sind sie etwa verpflichtend? Etwas, das Andere falsch machen, muss niemand obligatorisch nachmachen. Man kann es auch besser und richtig machen. Welche Maßnahmen effektiv sind, und wie Härten abgefedert werden können, ist nicht in vom Himmel offenbarten Steintafeln festgeschrieben. Wir können uns humane Lösungen überlegen.

Pro-Argumente für die ZeroCovid-Strategie

  1. Fast niemand wird krank oder stirbt.
  2. Eine neue Krankheit und Epi-/Pandemie wird verhindert oder schnellstmöglich beendet.
  3. Effektive und konsequente Eradikationsmaßnahmen verursachen kurzfristig zwar großen, dafür aber absehbar begrenzten Schaden; insgesamt ist es daher relativ günstig.
  4. Bildungsverluste durch Schulschließungen bleiben begrenzt. Um sie aufzuholen, können zeitweilig Schulferien verkürzt werden.
  5. Viele Folgeprobleme langfristiger Eindämmungsmaßnahmen treten nicht auf (Impfmarathon, Variantenbildung, Bildungsverluste, langwierige Freiheitsverluste).
  6. Für notwendige Funktionsgruppen und freiwillige Helfer wäre der Weg frei und ausreichend Schutzmaterial vorhanden, um sicher die Grundversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten.
  7. Künftige Pandemien können effektiv verhindert oder beendet werden anstatt sie jedes Mal jahrelang zu durchleiden.

Beispiele für die Vermeidung von Fehlern

  1. Notwendige medizinische Behandlungen können stattfinden, weil die Krankenhäuser viele freie Kapazitäten haben.
  2. Häusliche Gewalt kann vermieden werden, indem Betroffene in leerstehenden Hotels und Ferienwohnungen untergebracht werden.
  3. Durch Kapitalbesteuerung kann eine soziale Katastrophe vermieden werden.