Tag der Arbeitsertragsvernichtung 2022

Der 1. Mai, Tag der Arbeiterbewegung, steht in diesem Jahr unter dem Zeichen von Inflation und Kriegshetze. Vom Arbeitslohn behält das ungerechte Steuersystem bei niedrigen und mittleren Einkommen unverhältnismäßig viel ein, so dass viel zu wenig Netto übrig bleibt. Und das bisschen Netto muss dann für massiv gestiegene Energiekosten und höhere Lebensmittelpreise hingeblättert werden. Noch dazu wirft die Bundesregierung mit Geld um sich, um einen Sieg gegen Russland durch den ukrainischen Stellvertreter einzufahren.

Vermutlich wird auf Mai-Kundgebungen genau das Gleiche gesagt werden, wie es in Medien, Politik und Öffentlichkeit unisono seit Monaten zu hören ist. Wenn dabei vom Kapital und dessen außenpolitischer Wirkweise, dem Imperialismus, gesprochen werden sollte – wer vom Krieg spricht, darf vom Kapital nicht schweigen! -, dann wird sich das ausschließlich nur auf Russlands angeblichen (und ein bisschen auch tatsächlichen) Imperialismus beziehen.

Der eigene, d.h. westliche, Beitrag in Form von jahrzehntelanger NATO-Osterweiterung, Regime-Change- und Sanktionspolitik gegen Russland, sowie der achtjährige Krieg der Ukraine gegen den Donbass und zuletzt die Februaroffensive der Ukraine gegen den Donbass, wird dabei geflissentlich ignoriert oder rotzfrech bestritten werden. Diesen Zusammenhang verstehen Länder wie China, Kuba und Vietnam, die selber wissen, wie sich Imperialismus anfühlt und dass er real ist, und die deshalb unparteiisch und differenziert Sicherheit für beide Seiten einfordern.

Die westliche, kaltschnäuzige Blindheit macht es unmöglich, die Konfliktursachen zu erkennen und zu lösen – oder auch nur darüber zu reden. Aber nur so wäre ein echter Frieden möglich, in dem keiner (UA) vom Anderen (RF) oder der Andere (RF) durch einen Dritten (USA/NATO) vom Territorium des Einen (UA) bedroht würde. Der westliche Kapitalismus ist aber an keiner Konfliktlösung interessiert. Er profitiert vom Konflikt. Ins Konzept passt ihm nur der Siegfrieden der Ukraine gegen Russland, was sich in die jahrzehntelange Eindämmungspolitik gegen Russland einreihen würde. Das ist das Ziel von NATO, Bundesregierung, Massenmedien, und – so steht zu befürchten – morgen auch DGB-Redner*innen.

Russische und ukrainische Sold- und Lohnabhängige bezahlen für diesen strategischen Machtkampf mit ihrem Leben oder ihrer Gesundheit. Uns Dummen hier wird zumindest nur das Geld aus der Tasche gezogen, frei nach dem Motto „Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel“. Für lohnabhängige Menschen in Deutschland steht der Hauptfeind nicht vor Mariupol und Kiew, sondern im eigenen Parlament und Kabinett, wo die Geldschraube angezogen wird, und in den USA, wo die Leitlinien der bundesdeutschen Politik vorgegeben werden, nämlich massive Militarisierung und Kappung aller Verbindungen zu Russland.

An diesem 1. Mai stößt die „sozialchauvinistische Arbeiteraristokratie“ (Lenin) in Deutschland mal wieder dienstbereit oder bestenfalls blindäugig mit ins Horn ihrer Kapitalisten und Imperialisten. Der äußere Feind war schon immer die saftigste Möhre für den Esel, um ihn von den Verbrechen der eigenen Herrscher – und dem Aufstand gegen sie – abzulenken.