Pandemie-Sparen an der falschen Stelle

Die Pandemie schadet nicht nur Menschen, sondern indirekt auch der Natur. Naturerhalt wird meistens durch Tourismus finanziert. Viele Staaten haben außerdem Gelder für Programme gegen Wilderei und zum Schutz bedrohter Tierarten gekürzt. Dadurch steigt das Risiko künftiger Pandemien.

Der Tukan, ein fotogenes Regenwaldmaskottchen.
Foto: amalita von Pixabay.

An der falschen Stelle gespart

Allein zwischen Januar und Mai 2020 brachen 45 Prozent des weltweiten Tourismus ein. In der Branche gingen 174 Millionen Arbeitsplätze und 4,7 Billionen US-Dollar verloren.

In Namibia sind 700 Wildhüter betroffen, ebenso 300 Mitarbeiter von Schutzprogrammen. 61 Touristenunterkünfte mussten schließen und haben 1.400 Menschen erwerbslos gemacht. Deren Familien mussten sich mit der Nutzung natürlicher Ressourcen über Wasser halten. Obwohl Notfonds eingerichtet wurden, wurden im April 2020 zum ersten Mal seit zwei Jahren Nashörner gewildert.

Die Untersuchung illegalen Wildtierhandels hat in 70 Prozent der afrikanischen Länder Mittelkürzungen erfahren. Um 50 Prozent sind Artenschutzprogramme, ökologische Bildungsprogramme, regelmäßige Patrouillen und Einsätze gegen Wilddiebe zusammengestrichen worden. Ein Drittel aller Wildhüter in Lateinamerika, Karibik und in Afrika ist erwerbslos geworden. Nur in 10 Prozent der Fälle konnten Wildhüter ihre Arbeit mit lokalen Gemeinden unbeeinträchtigt fortsetzen.

Mindestens 22 Länder begründen Schwächungen im Naturschutz mit der Pandemie. Stattdessen wurden Infrastruktur- und Bergbauprojekte genehmigt. Das war am Stärksten in Brasilien, Indien und den USA zu sehen.

Risikokapital

SARS-CoV-2 ist wahrscheinlich von Wildtieren auf den Menschen übergesprungen. Oder eine Vorform sprang auf den Menschen über und mutierte erst im Menschen zu seiner charakteristischen Form. Wildtierhandel, „Buschfleisch“-Verzehr, aber auch Landwirtschaft und Viehzucht – besonders in den artenreichen Tropen – können Wege von Übertragungen sein. In den letzten hundert Jahren sind pro Jahr zwei neue Viren von Tieren auf den Menschen übergesprungen, beispielsweise Aids, Ebola oder SARS.

Intakte Schutzgebiete sind wie eine Pufferzone zwischen uns und neuen Erregern. Dafür bräuchte es im Jahr weltweit etwa 67 Milliarden US-Dollar. Nur ein Drittel davon wird in normalen Zeiten aufgebracht. Allein 2020 hat die Weltwirtschaft einen Schaden von 28 Billionen US-Dollar durch die Pandemie erlitten, wie der Internationale Währungsfonds vermutet.

Wenn die Pandemie – wegen langsamen Impfungen und neuen SARS-CoV-2-Varianten – weltweit erst 2023 oder 2024 für beendet erklärt werden kann, dürfte der Schaden nicht weit von 67 Billionen US-Dollar entfernt liegen, also der 1.000-fachen Summe dessen, was Lebensraumschutz kosten müsste.

Schuld ist unser kurzsichtiges, profitorientiertes Selbstbereicherungssystem für Egoisten, auch Marktwirtschaft oder Kapitalismus genannt (mit dem chinesischen, staatsdirigierten Kapitalismus auf der Überholspur). Damit Einzelne ihre Steueroasenkonten und Gourmetplatten füllen können, wird Hochrisiko mit Mensch und Natur gespielt. Das ist ein grundverkehrtes, perverses System!

Eine gute und nachhaltige Wirtschaftsweise würde allen Menschen zugute kommen und die Natur weitmöglichst verschonen.

Ursachenbehebung statt Profitsucht

Unser ungehemmtes Vordringen in die Restnatur ist wie das Eindringen in unzählige evolutionäre Biolabore. Nirgends laufen mehr unsichere Experimente mit hochgefährlichen Erregern ab als in den Wäldern, Sümpfen und Höhlen der heißen Klimazonen. Leider werden aus dieser Erkenntnis keine praktischen Schlussfolgerungen gezogen.

Statt Ursachen und Risiken zu minimieren, wird weiter verfahren, als gäbe es kein Morgen. Und wenn der morgige Tag doch mit einer Krise oder Katastrophe beginnen sollte, wird Geld wieder nur in Symptombekämpfung gesteckt, womit einer kleinen Handvoll „innovativer Technologien“ zum Durchbruch verholfen wird, so wie im Fall von Covid-19 die mRNA-Impfstoffe und digitalen Impfausweise. Unverhältnismäßiger könnte die Reaktion auf eine reale, globale Bedrohung nicht ausfallen.

Die Pandemie hat Mensch und Natur geschadet. Und sie hat gezeigt, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. Wir brauchen den „system change“ nicht nur gegen den „climate change“. Es gibt auch noch gute, andere Gründe dafür. Ohne einen effektiven Ökosozialismus lassen sich die großen globalen Probleme nicht lösen. Je mehr uns in den nächsten Jahrhunderten die Klimaerwärmung belasten wird, desto härter werden große Weltbevölkerung, schwindende Ressourcen und zusätzliche Katastrophen gespürt werden.