Die Sprengung der Nord Stream Pipelines

Am 26. September 2022 haben mutmaßlich die USA mithilfe Norwegens die beiden Stränge der Nord Stream Pipeline 1 sowie Strang A der Nord Stream Pipeline 2 gesprengt. Das berichten verschiedene Quellen, die sich an Seymour Hersh, John Mark Dougan und nun auch Kim Dotcom gewendet haben. Deren Darstellungen seien hier in aller Kürze wiedergegeben.

Seymour Hersh I: Eine gut informierte anonyme Quelle

Nach der Quelle des Pulitzer-Preisträgers Seymour Hersh hat das U.S. Navy’s Diving and Salvage Center (Sitz in Panama City, Florida/USA) die Taucher gestellt.

Während der NATO-Marineübung BALTOPS 22 wurden C4-Sprengsätze mit Fernzündern und Zeitverzögerung an den Pipelines angebracht.

US-Präsident Joe Biden, nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan, Außenminister Tony Blinken und die Staatssekretärin im Außenministerium für politische Angelegenheiten Victoria „Fuck the EU“ Nuland, wussten Bescheid. Biden hatte am 07.02.2022 sogar öffentlich geprahlt: “If Russia invades … there will be no longer a Nord Stream 2. We will bring an end to it.”

Der entscheidende Vorschlag zu einer Taucher-Aktion kam von der CIA, die bereits 1971 mitbeteiligt war, als sie ein sowjetisches Unterseekabel im Ochotskischen Meer erfolgreich über ein Jahrzehnt lang abgehört hatte.

Die norwegische Marine hat den Zielort vor der Insel Bornholm ausgewählt. Dort gibt es keine gefährlichen Strömungen.

Zeitpunkt wurde das BALTOPS-22-Manöver, wofür eine „research and development exercise“ eingebaut wurde. Durch den Monate späteren Sprengungszeitpunkt würde der Verdacht abgelenkt.

Am 22.09.2022 warf ein P8-Aufklärungsflugzeug der norwegischen Marine eine Sonarboje ab, die die Sprengladungen mit einem extrem niederfrequenten Signal zündete, damit keine anderen technischen oder natürlichen Ursachen die Zündung in Gang setzen.

Norwegen profitiert von der Sprengung, da es so zum konkurrenzlos größten Öl- und Gaslieferanten Deutschlands geworden ist. Norwegen ist eins der NATO-Gründungsmitglieder.

Seymour Hersh II: Das Cover-up

Eigentlich hätte ein Sabotageakt wie der auf die Nord Stream Pipelines, wenn fremde Akteure sie ausgeführt hätten, dazu führen müssen, dass der US-Präsident die Geheimdienste angewiesen hätte, herauszufinden, wer das war – nicht zuletzt um vorbereitet zu sein, falls dieser Unbekannte auch westliche Infrastruktur ins Auge fassen würde. Das hat er aber nicht getan. Folglich waren die Täter keine Unbekannten.

Anfang März war Olaf Scholz in Washington. Es gab nur zwei öffentliche Termine, auf denen keine Fragen erlaubt waren. Ein CNN-Interview mit Scholz ignoriert das Thema komplett. Scholz hatte keine Presse mitgebracht, keine anderen Regierungsmitglieder oder Wirtschaftsvertreter. Es gab kein formelles Abendessen und keine Pressekonferenz, was bei hohem Staatsbesuch aber normalerweise üblich wäre. Scholz und Biden hatten ein 80-minütiges, vertrauliches Gespräch, bei dem nicht einmal Berater oder Übersetzer anwesend waren.

Hersh schreibt dazu: „Mir erzählte jemand mit Zugang zu diplomatischen Geheiminformationen, dass es eine Diskussion über das Pipeline-Exposé gab, mit dem Ergebnis, dass gewisse Elemente der CIA gefragt wurden, eine Coverstory in Zusammenarbeit mit deutschen Geheimdiensten vorzubereiten, die der amerikanischen und deutschen Presse eine alternative Version für die Zerstörung von Nord Stream 2 bieten würde.“

So hat Bundeskanzler Scholz sein Land in Washington verraten. Damit ist auch der Ursprung der Gute-Nacht-Geschichte von der Jacht mit ukrainischen Abenteurern geklärt. Dänische Berichte über die Anwesenheit russischer Schiffe in den Tagen vor den Explosionen stochern ebenfalls nur im Trüben. Sie sind lächerliche Erfindungen, um vom Elefanten im Raum abzulenken.

Dazu hatte sich der französische Historiker Emmanuel Todd pointiert in einem Interview geäußert:

Weltwoche: Wer ist für die Sabotage von Nord Stream verantwortlich?

Todd: Natürlich die Amerikaner. Aber das ist völlig unwichtig. Es ist normal. Wichtig ist die Frage: Wie kann eine Gesellschaft glauben, dass es die Russen gewesen sein könnten? Wir haben es hier mit einer Umkehrung der möglichen Realität zu tun. Das ist viel schlimmer. Das Studium einer solchen Gesellschaft ist faszinierend.

Quelle: Die Weltwoche, 25.02.2023

 

John Mark Dougan: Brief eines anonymen NATO-Offiziers

Dem in Moskau lebenden Whistleblower John Mark Dougan hat ein anonymer NATO-Offizier einen Brief geschrieben. Darin berichtet er davon, dass er eine Marine-Einheit, auf die Hershs Beschreibung passt, mit eigenen Augen gesehen habe und beschreibt den Vorgang während des Baltop-Manövers.

Die Marinegruppe sollte nach Unterwasserminen suchen, hatte aber keine Ausrüstung dafür dabei. Sie sprach mit einem US-Vizeadmiral und US-Amerikanern in Zivilkleidung.

Ihre Ausrüstung bestand aus Unterwasser-Tauchgeräten und einigen kleinen Hartschalenkoffern („Pelicans“). Dann fuhren sie mit einem Boot aufs Meer hinaus, aber nicht ins Gebiet, wo die simulierten Minen platziert waren, sondern anderswohin. Als sie zurückkehrten, waren fast alle Pelicans verschwunden.

Kim Dotcom: Wortmeldung eines ASDS-Ingenieurs und Radarauswertung

Der umtriebige Internetunternehmer Kim Dotcom veröffentlichte gestern insgesamt sieben Tweets. Der erste Tweet enthält die Wortmeldung eines anonymen Ingenieurs, der am Advanced Seal Delivery System (ASDS) mitgearbeitet hat (1/7). Das ASDS ist ein Mini-U-Boot für Geheimoperationen. Trainings daran umfassten mindestens seit 2001 auch die Sabotage von Pipelines. Die USA haben also seit über 20 Jahren die Werkzeuge und Fähigkeiten für so einen Einsatz.

Dann folgt in fünf weiteren Tweets eine Kurzdarstellung über die mutmaßliche Auslösung der Sprengsätze anhand von Flugradardaten (2/7 – 6/7). Der letzte, siebte Tweet verlinkt ein Youtube-Video (7/7) und ist das Gleiche in bewegten Bildern.

Das Video bietet eine gute Gesamtdarstellung: Bidens und Nulands Nord-Stream-Beendigungsabsichtserklärungen, Trumps indirekte Bestätigung, das NATO-Manöver Baltops, das ASDS, und ab Timecode 09:45 bis zum Ende eine ausführliche Flugradar-Auswertung.

Auslösung der ersten Explosion: Radardaten anhand von flightradar24.com zeigen VOR, WÄHREND und NACH der ersten Explosion einen US Navy Sikorsky MH-60R Seahawk Hubschrauber östlich von Bornholm. Seahawks sind mit Sonarbojen ausgestattet, die die Sprengung ausgelöst haben können. (2/7)

Hersh berichtet nicht von dem Hubschrauber. Hatte Hershs Quelle keine exakten Informationen über den tatsächlichen Ablauf vor Ort?

Verifikation der ersten Explosion: VOR der ersten Explosion flog ein US Navy Boeing P-8A Poseidon Aufklärungs- und U-Boot-Jagdflugzeug von östlich der Färöer Inseln auf direktem Kurs zum Explosionsgebiet südlich von Bornholm, das es eine Stunde nach der ersten Explosion erreichte. (3/7)

Lt. Hershs Quelle müsste das das norwegische P8-Aufklärungsflugzeug gewesen sein, auch wenn es dem Flugradar als Flugzeug der US Navy gilt. Es kann aber nicht die erste Sprengung ausgelöst haben.

Luftbetankung und Rückkehr an den Explosionsort: Die Poseidon kreiste dann über Polen, wo sie von einem US Air Force Boeing KC-135R Stratotanker (vom US-Militärflughafen Spangdahlem in der Eifel/Deutschland aus gestartet) in der Luft betankt wurde. Dann kehrt sie zum ersten Explosionsort zurück und fliegt dort so niedrig, dass sie vom Radar verschwindet. Möglicherweise setzt sie dabei eine Sonarboje aus, die den Countdown für die zweite Explosionswelle (14 Stunden später) startet. (4/7)

Wiederauftauchen und Rückflug: Die Poseidon taucht drei Stunden später wieder auf dem Radar östlich von Bornholm auf, überfliegt auf ihrem Rückflug erneut das erste Explosionsgebiet und verschwindet bei den Färöer Inseln wieder vom Radar. (5/7)

Verifikation der zweiten Explosionswelle: Etwa 100 Minuten nach der zweiten Explosionswelle (drei Explosionen nordöstlich von Bornholm) taucht der Seahawk wieder östlich von Bornholm auf dem Radar auf und kann dort für etwa zwei Stunden die Lage beobachten. Dann verschwindet er wieder vom Radar. (6/7)


[ 27.09.2023 ]

Die Sprengungen hatten nichts mit dem Ukrainekrieg zu tun

Anlässlich des Jahrestages der Sprengungen nennt Seymour Hersh als Gründe dafür, dass nur die Nord-Stream-Pipelines aufgrund ihrer geografisch exponierten Lage für eine Geheimaktion zugänglich gewesen seien und dass eine solche Geheimaktion so durchgeführt werden könne, dass sie vollständig bestreitbar sei.

Die Idee war vor Beginn des offenen russischen Einmarschs in die Ukraine entstanden und sollte ursprünglich als Drohung oder vielleicht noch als Vergeltungsmaßnahme dienen. Letztlich bezweckten die Sprengungen aber, Deutschland auf Linie zu halten und den US-Einfluss auf Deutschland und Europa zu sichern.

Die anderen russischen Pipelines, Jamal, Sojus und Bruderschaft, verlaufen kontinental durch Belarus oder Ukraine. South Stream und Blue Stream laufen durch das Schwarze Meer zur Türkei. Auf South Stream hat die Ukraine tatsächlich Anschlagsversuche unternommen. Für eine US-Geheimoperation ist das Schwarze Meer aber kaum geeignet, weil die Türkei seit dem gescheiterten, westlich unterstützten Putschversuch gegen Erdogan mehr nach Russland orientiert ist.

Zuerst drohte Victoria „Fuck the EU“ Nuland am 27.1.2022 mit dem Ende der Nord-Stream-Piplines: Die USA sprächen klar und eindringlich mit Deutschland. Wenn Russland in die Ukraine einmarschiere, würde Nord Stream 2 nicht weitergehen. Dann sagte Joe Biden am 7.2.2022, wenn Russland in die Ukraine einmarschiere, würde es kein Nord Stream 2 mehr geben. Sie würden es beenden. Auf Nachfrage: „Das werden wir. Ich verspreche es Ihnen, wir werden in der Lage sein, es zu tun.“

Bundeskanzler Olaf Scholz war anscheinend eingeweiht – das hätten wohl auch einige CIA-Beteiligte so gesehen – und sagte dazu, dass USA und Deutschland gemeinsam handelten, vereint seien, keine unterschiedlichen Schritte unternähmen, und dass diese Schritte sehr hart für Russland sein würden.

Die beiden Taucher der US Navy trainierten monatelang das Manöver in der strömungsreichen Ostsee von einem norwegischen Minenräumboot aus. Schwedische, dänische und deutsche Behörden ignorierten es.

Das Aus für Nord Stream 2 verkündete Olaf Scholz zwei Tage vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine. Damit wurde Nord Stream 2 bedeutungslos für Drohungen oder Vergeltungen. Stattdessen haben die USA mit den Pipeline-Sprengungen – sieben Monate nach Beginn des offenen Ukrainekrieges – Russlands Einfluss auf Deutschland endgültig zerstört – und zugleich den eigenen Einfluss gesichert und gestärkt.

Bis heute hat die US-Regierung keinerlei Anstrengungen unternommen, die Täter ausfindig zu machen. Die US-Presse hat nie mehr danach gefragt. Ähnlich sieht es in Deutschland aus. Die Regierung interessiert es nicht. Die Medien spielen lieblos mit der Coverstory um die Jacht Andromeda und ukrainische Freizeit-Saboteure.

Die Sprengungen waren also Teil des unerklärten Weltkrieges, den die USA permanent gegen die Welt führen.

[ 30.09.2023 ]

Das verräterische Staatswohl – und: Cui bono?

Sahra Wagenknecht zitiert in ihrer Youtube-Sendung „Wer hat Nord Stream gesprengt? Cui bono und das Schweigen der Regierung“ (Timecode 04:29 Minuten) die Antwort der Bundesregierung vom 12.10.2022 auf ihre schriftliche Frage zu den Sprengungen, dass die erbetenen Informationen „derart schutzbedürftige Geheimhaltungsinteressen“ berührten, „dass das Staatswohl gegenüber dem parlamentarischen Informationsrecht überwiegt und das Fragerecht der Abgeordneten ausnahmsweise gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse der Bundesregierung zurückstehen muss“.

Eine solche Reaktion kann praktisch nur bedeuten, dass offizielle Verbündete, gar die westliche Schutzmacht, diese Anschläge verübt haben. Russland als Urheber hätte eine perfekte Vorlage für proukrainische Propaganda bedeutet. (Eine Kriegserklärung wäre nicht nötig gewesen. Eine Schadensersatzforderung hätte genügt. Und für umfangreichere Waffenlieferungen an die Ukraine wären Tür und Tor offen gewesen.) Ukrainische Vigilanten als Urheber wären zwar peinlich hinsichtlich der Kriegshilfen für die Ukraine gewesen, hätten aber noch als verständliche Notwehrhandlung herunter gespielt werden können.

Die USA als Urheber wären so brisant, dass sie das Ende der NATO-Mitgliedschaft und der West-Orientierung Deutschlands bedeuten könnte. Angesichts der zahllosen Verflechtungen zwischen USA und Deutschland insbesondere im wirtschaftlichen, militärischen, geheimdienstlichen, massenmedialen und politischen Bereich wären die potentiellen Veränderungen so grundsätzlich, dass sich tatsächlich die existentiell ernste Frage nach dem Staatswohl stellt, sollte man auf das Verbrechen Konsequenzen folgen lassen. Was, wenn die USA ihre Stützpunkte in Deutschland nicht freiwillig räumen würden?

Wem nützt es? Absolut eindeutig den USA und Norwegen. Es nützt natürlich auch der Ukraine. Aber dass sie „ihre“ Anschlagspläne, die von der CIA frühzeitig beobachtet und untersagt wurden, weiter verfolgt hätte, ist unglaubhaft. Die USA hätten sich nicht auf unzureichend ausgestattete Amateure auf einem Klapperkahn verlassen. Die Ankündigung von Joe Biden impliziert, dass die USA selber eine Handlungsoption erarbeitet haben müssen. Der US-Präsident hätte sich nicht so weit herausgelehnt, und dann monatelang auf ehrenamtliche Abenteurer aus einem anderen Land gehofft. Der US-Imperialismus arbeitet hochgradig professionell.

Die Widersprüche in Detailfragen und Unklarheiten hin oder her (War die P8 us-amerikanisch oder norwegisch? Hat der anonyme NATO-Offizier das fragliche Team beobachtet, oder war es auf einem anderen Schiff unterwegs?) – der offizielle Verweis der Bundesregierung auf das Staatswohl ist einfach zu entlarvend – ebenso wie die Statements von US-Präsident Joe Biden und dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump.