Deep Fake: Asteroid verheert Europa

Das Planspiel der diesjährigen Planetaren Verteidigungs-Konferenz ist krachend gescheitert. Es ist den Akteuren nicht gelungen, einen Asteroiden daran zu hindern, auf der Erde niederzugehen. Das berichtet die ESA. Eine Region an der tschechisch-deutschen Grenze wurde fiktiv auf 100 Kilometern verwüstet.

Game over!

Die internationale Planetary Defense Conference sollte die Erde verteidigen. Das blieb beim Konjunktiv. Wenn unsere Performance im Realfall auch so desaströs wäre, würde ein Asteroid freie Bahn haben, so wie Covid-19 freie Bahn nach entsprechenden epidemiologischen Strategieplanungen und Pandemieübungen der vergangenen Jahre hatte (RKI-„Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012“, „Event 201“ von 2019).

Asteroiden sind eine seltene, aber reale globale Gefahr. Alle großen Brocken sind bekannt. Unbekannte Asteroiden würden mit der heutigen Vielzahl an Teleskopen auf der Erde und im Weltraum Jahre im Voraus entdeckt werden. Über 20.000 erdnahe Asteroiden und andere kleinere Objekte sind schon bekannt. Kleinere Brocken, die immerhin noch Städte zerstören könnten, überraschen die Astronomen jedoch immer wieder einmal:

  • Komet Neowise, 5 km Durchmesser, 4 Monate vorher entdeckt, flog im Juli 2020 in 64 Mio. km Entfernung an der Erde vorbei, war also weit entfernt.
  • Asteroid 2019 OK, 130 m Durchmesser, wenige Tage vorher entdeckt, passierte die Erdumlaufbahn im Juli 2019 nur 64.000 km entfernt, also in nur einem Sechstel der Entfernung bis zum Mond.
  • Ein Meteor, der im Februar 2013 über Tscheljabinsk, Russland, explodierte, war etwa 19,8 m groß, wurde vorher gar nicht bemerkt, und drang mit über 64.000 km/h in die Atmosphäre ein. Die Druckwelle beschädigte Gebäude und Fensterscheiben in sechs Städten, wodurch über 1.400 Menschen verletzt wurden.

Das International Asteroid Warning Network (IAWN) soll solche kosmischen Bedrohungen erkennen, verfolgen und über deren Kurs unterrichten. Es wurde 2013 auf Empfehlungen der Vereinten Nationen hin gegründet.

Dann würde die Space Missions Planning Advisory Group (SMPAG), ebenfalls 2013 in diesem Zusammenhang gegründet, die internationale Reaktion darauf formulieren und koordinieren. Anders als im Spielfilm „Armageddon“ würde aber kein Bohrteam aus psychisch instabilen Egomanen auf dem Asteroiden landen, um eine Atombombe darin zu zünden.

Global killer, troll‘ Dich!

Statt um Zerstörung geht es um Methoden, den Himmelskörper möglichst frühzeitig von seiner Bahn abzulenken, etwa

  • durch einen „kinetischen Impaktor“, also einen hochenergetischen Einschlag einer Raumsonde,
  • durch einen „Schwerkraft-Traktor“, also eine massereiche Raumsonde, deren Anziehungskraft den Asteroiden in eine andere Richtung zieht,
  • durch einen „Ionenstrahl-Hirten“, also eine längerfristige Bestrahlung mit Ionen, die den Asteroiden allmählich in eine andere Richtung umlenkt,
  • durch Laserstrahlen, die den Asteroiden erhitzen, so dass verdampfende Gase zur Richtungsänderung führen würden,
  • durch eine entfernte Atombombenexplosion, so dass die Druckwelle den Asteroiden wegdrückt.

Alle diese Ansätze hängen wesentlich vom Faktor Zeit ab. Zu wenig davon, dann geht es nicht. Und so war es auch in diesem Planspiel. Zwischen Entdeckung und Einschlag lagen nur sechs Monate. Zu wenig für eine mit heute verfügbaren Mitteln durchführbare Sondenmission.

Das war den Planspielern bereits vier Monate vor dem fiktiven Einschlagstermin bewusst. Daher beschränkten sich die Planspieler auf eine weiträumige Evakuierung als einzige Notmaßnahme.

Die atomare Option krankte angeblich daran, dass nicht früh genug die genaue Größe des Asteroiden festgestellt werden konnte. Wieso ein 10 oder 100 Megatonnensprengsatz keinen oder weniger Effekt als eine der anderen, wesentlich energieärmeren Optionen haben sollte, und deswegen gänzlich verworfen wird, anstatt es wenigstens zu versuchen, bleibt wohl deren Geheimnis.

Fliegenauge, sei wachsam!

Die bekannten Asteroiden bewegen sich in regelmäßigen Umlaufbahnen um die Sonne. Daher kann normalerweise frühzeitig berechnet werden, ob ein Asteroid bei seinem nächsten oder übernächsten Umlauf der Erde zu nahe kommen würde. Das wüsste man dann mehrere Jahre vorher. Dann wäre ausreichend Zeit, vielleicht sogar für vorherige Erkundungsmissionen zu diesem Asteroiden, um Größe und Beschaffenheit zu erforschen. Weiche oder poröse Asteroiden müssten anders angegangen werden als solide Felskörper.

Um die Früherkennung zu verbessern, baut die ESA beispielsweise ein Fliegenaugen-Teleskop auf dem Monte Mufara auf Sizilien. Das Teleskop hat 16 Facetten, so dass es einen größeren Ausschnitt des Himmels beobachten kann. Weitere Projekte und Kampagnen zur Erkennung von erdnahen Objekten laufen weltweit, beispielsweise Pan-STARRS, Catalina Sky Survey, Test-Bed Telescope, Near Earth Object Surveillance Satellite (NEOSSat), das von Russland geleitete International Scientific Optical Network (ISON) sowie mehrere chinesische Teleskope.

Das diesjährige Planspiel fand vollständig online statt, da sich das fiktive Krisenszenario während einer realen Weltkrise abspielte. Katastrophenschutzexperten, Regierungsvertreter, Missionsplaner und Strategieplaner mussten also die Abwehr einer fiktiven Bedrohung unter den Einschränkungen einer realen Bedrohung simulieren.

Beijing, wir haben ein Problem?!

Die hauptsächlichen Lehren aus dem fiktiven Desaster sind:

  • Investitionen in Forschung und Technologieentwicklung sind wichtig.
  • Regierungen und Behörden müssen sich vorbereiten, indem sie
    • realistische Übungsszenarien entwickeln,
    • einbeziehen, dass unterschiedliche Bevölkerungsgruppen unterschiedlich verwundbar sind,
    • klare, transparente Informationen und Ratschläge an die Bevölkerung geben.

Nach dem katastrophalen Versagen in der Covid-19-Pandemie und der beständigen Uneinsichtigkeit aller Verantwortlichen in dieses Faktum, bleibt nur zu hoffen, dass der nächste potentielle Einschlag noch Jahrtausende oder Jahrmillionen auf sich warten lässt.

Oder, falls der Fall früher eintritt, wird uns vermutlich eine chinesisch-russische Raummission davor bewahren. Also auch ganz anders als in Hollywood. Ganz kleine Asteroiden von etwa 10 m Größe würden die Chinesen ab 2029 womöglich sogar mit einem Sack einfangen, abbremsen und per hitzebeständigem Fallschirm auf der Erde landen wollen, um deren Rohstoffe auszubeuten.

Die NASA will in diesem Sommer den Double Asteroid Redirection Test (DART) starten und im Herbst 2022 den Asteroiden Dimorphos mit einem kinetischen Impaktor ablenken. Wir können gespannt sein, ob es gelingt. Ob es dann heißen wird, „Houston, wir haben ein Problem gelöst“?