Offener Leserbrief an eine Gewerkschaft

Leider beteiligt sich ver.di mit der staatstragenden Attitüde an der Spaltung der Gesellschaft in solche, die systemkonform die vorgegebene Mainstreammeinung schlucken und reproduzieren, und solche, die damit unzufrieden sind und deswegen öffentlich geächtet werden.

Eine kritische Haltung gegenüber den negativen Aspekten des demokratischen Realbetriebs sowie der konzerngeführten Medienmaschinerie stünde einer Gewerkschaft, die sich nicht für klassenfremde Interessen vereinnahmen lässt, gut zu Gesicht.

Die Demokratie wird am besten verteidigt, indem kritisch ihre Schwächen und Fehler benannt sowie konstruktiv Verbesserungen einfordert werden. Sonst stellt man sich auf die Seite der Herrschenden, denen dieses System hilft – sei es durch ungerechte Besteuerung oder politische Entscheidungen gegen den Mehrheitswillen, der durch die Wahl von unverbindlichen Wahlprogrammen immer wieder nur ins Leere läuft.

Peinlich für angeblich Linke ist außerdem die blinde Gefolgschaft des DGB bei der Isolation Russlands. Damit wird der westliche Imperialismus unterstützt, der sich die russischen Rohstoffe aneignen will, so wie es unter Jelzin der Fall war – und unter Nawalny erneut angestrebt wird. Die Ukraine ist dabei nur Spielball und Bauernopfer westlicher Kapitalinteressen. Es ist schlimm, was dort passiert, aber das ist die traurige Rolle der Ukraine im großen Ganzen. Aus strategischen Gründen versucht Russland hier eine Pufferzone zur eigenen Sicherheit aufrechtzuerhalten.

In einer Welt mit Atomwaffen kann der Weg nicht NATO-Osterweiterung heißen, sondern Kräftegleichgewicht und räumlicher Abstand, bis durch Abrüstungsverträge diese Atomwaffen beseitigt sind. Als die UdSSR auf die atomare Bewaffnung der Türkei mit „nuklearer Teilhabe“ für Kuba reagieren wollte, war Kennedy für den Dritten Weltkrieg bereit. Die gleiche Sicherheit wird Russland vorenthalten, wenn die NATO und mit ihr potentiell Atomwaffen an die russische Grenze rücken.

Der Ukrainekrieg wird am besten antiimperialistisch verstanden. Der Balken im eigenen Auge ist dabei die von den USA erstrebte Eindämmung Russlands. Die russische Invasion dient der Wiederherstellung strategischer Sicherheit für Russland. Imperialistisch deutbare Handlungen Russlands, wie der Einsatz für den Schutz russischer Bürger im Ausland sowie diverse Annektionen, sind letztlich nur Reaktionen auf die Ausdehnung des westlichen Einflussbereichs, der sich alle Länder untertan machen will.

Natürlich gibt es an Russland viel zu kritisieren. Eine korrupte, rückwärts gewandte Autokratie finde ich auch nicht attraktiv. Aber habe ich als Deutscher den Menschen in der Russischen Förderation vorzuschreiben, wie sie leben sollen, und darf ich das mit NATO-Drohkulisse, Sanktionen und Umsturzversuchen erzwingen?

Das Gesamtbild muss betrachtet werden. Und da ist für Russland die Rolle als Rohstoffkolonie des West-Kapitals vorgesehen. Das kann es doch auch nicht sein! Souveränität und Sicherheit muss auch für Russland gelten. Russland diese legitimen Bedürfnisse abzustreiten, ist Teil imperialer Machtpolitik. Das hat zur gegenwärtigen Eskalation geführt. Diesen Zusammenhang zu ignorieren, führt uns alle in eine weitere Eskalation, die zum tatsächlichen Ende der Geschichte führen kann.

Einseitigkeit ist tödlich. Ver.di und DGB beteiligen sich leider blind daran.