Klima-Review 04

Immer weiter, immer höher!

Die industrialisierte Menschheit hat es in den letzten 200 Jahren geschafft, den Kohlendioxid-Anteil in der Atmosphäre um 50 % zu steigern.

Die Erde speichert jetzt doppelt so viel Wärme wie noch 2005.

Atmosphärische Paradoxien

Auch wenn es hier unten wärmer wird, so führt das andernorts dazu, dass es dort kälter wird. So geschieht es mit den stratosphärischen Polarwirbeln in 15 bis 50 Kilometern Höhe. Sie werden tendenziell kälter, so dass dort leichter Ozon abgebaut wird. Der Klimawandel führt also dazu, dass die Winter-Ozonlöcher über Nord- und Südhalbkugel größer werden.

Durch den Klimawandel wird auch die Mesosphäre in 50 bis 80 Kilometern Höhe beeinflusst. Sie schrumpft um 150 bis 200 Meter pro Dekade und wird kälter und dünner, weil unsere menschengemachte Treibhausgas-Glocke weniger Wärme nach oben steigen lässt. Dadurch können wir schon seit einigen Jahren vermehrt leuchtende Nachtwolken bewundern. Diese von der Sonne beschienenen Eiswolken in großer Höhe treten nun häufiger, früher und südlicher auf.

CO2-Ausstoß ist ungleich CO2-Entzug. Eine Tonne CO2, die in die Atmosphäre freigesetzt wird, hat einen Klimaerwärmungs-Effekt, der nicht zu 100 % dadurch ausgeglichen wird, indem z.B. durch Baumwachstum oder Carbon Capture and Storage (CSS) eine Tonne CO2 der Atmosphäre entzogen wird. Die Gründe für diese Asymmetrie im hochkomplexen Erdsystem müssen erst noch genauer erforscht werden.

Extremwetter-Ereignisse

Über 10.000 Wissenschaftler haben erneut den Klima-Notfall erklärt und sofortige Maßnahmen gegen die Klimaerwärmung gefordert. Seit ihrem letzten großen Aufruf 2019 haben zahlreiche Extremwetter-Ereignisse gezeigt, dass es ernst ist. Außerdem scheinen mehrere Kipp-Elemente im Klimasystem bereits ihre kritischen Kipp-Punkte erreicht zu haben.

Die Jahrtausendhitze in Kanada wurde verursacht durch einen weit ausholenden Schlenker des Jetstreams, der heiße Luft aus dem Süden zu einer Hitzekuppel aufstaute, die sich tagelang kaum fortbewegte. Der Ort Lytton in British-Columbia, in dem die Rekord-Temperatur von 49,5° Celsius gemessen wurde, wurde anschließend von einem Waldbrand fast vollständig zerstört. Zehntausende Meeres-Lebewesen wurden vor den Stränden von Vancouver zu Tode gekocht. Das Klima-Kipp-Element Jetstream hat sich durch die starke Aufheizung der Arktis verlangsamt, abgeschwächt und stärker nach Nord und Süd ausgedehnt. Unser Jahrhundert-Schneefall im Februar sowie Jahrhundert-Hochwasser im Juli waren dadurch auch sehr gut erklärbar. Ins Bild passt auch die Jahrhundert-Hitze in Nord-Skandinavien Anfang Juli.

Sich träge fortbewegende Wolkenbrüche wie kürzlich in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen werden über Europa bis 2100 um etwa das 14-fache zunehmen.

Für Südostasien wird künftig auch mit vermehrten Extremhitzen gerechnet.

Wälder

Extremwetter-Ereignisse und Naturkatastrophen werden im Klimawandel zunehmen. Der beste und kosten-effektivste Katastrophenschutz ist eine intakte Umwelt, in der gesunde Wälder Erdrutsche verhindern oder Mangrovenwälder und Korallenriffe Sturmfluten. Wo hingegen Dürren herrschen, Boden degradiert und Wüsten entstehen, sind Katastrophen nur eine Frage der Zeit.

Die Wälder in den Rocky Mountains brennen heute häufiger als je zuvor in den letzten 2.000 Jahren. Allein in den letzten 20 Jahren gab es dort doppelt so viele Waldbrände wie im 2.000-jährigen Durchschnitt.

Wie zu erwarten wäre, kommt eine Studie zu dem Ergebnis, dass eine Aufforstung Europas den Regenfall verstärken würde. Das wäre eine gute Maßnahme gegen die zu erwartende Dürre-Prognose für Europa im Klimawandel.

Der Amazonas-Regenwald hat verminderte Regenfälle zu erwarten. Das wird nicht nur durch Abholzung verursacht, sondern auch durch CO2-Anstieg. Denn je mehr CO2 in der Luft ist, desto weniger Wasser geben Blätter ab. Und wo weniger verdunstet, fällt auch weniger herab.

System change, not climate change

In Hamburg ist ein milliardenteures Mahnmal des fossilen Zeitalters, das Kohlekraftwerk Moorburg, endlich vom Netz gegangen. Als eins der größten Kohlekraftwerke Europas wurde es ab 2008 gebaut, lieferte letztlich aber keine 6 Jahre lang Kohlestrom. 2008 musste jeder halbwegs gebildete und vernünftige Mensch wissen, dass Kohle nicht nur keine Zukunft hat, sondern Zukunft verunmöglicht. Aber die CDU wollte es, und die Grünen segneten es ab. Wer wird denen bei der Bundestagswahl 2021 noch trauen?

Eine Studie des industriefreundlichen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) kommt wenig überraschend zu dem Ergebnis, dass jeder Einzelne viel gegen den Klimawandel tun könne. Pro Jahr verursachen wir etwa 11 Tonnen CO2. Wenn wir das 1,5°-Ziel der Erderwärmung einhalten wollen, dürfen wir nur 1 Tonne CO2 pro Jahr ausstoßen. Mit weniger Lebensmittelabfällen, weniger Fleisch, weniger Kleidung und Bahn statt Flugzeug könnten wir satte 0,6 Tonnen CO2 einsparen! Fehlen also nur noch läppische 9,4 Tonnen pro Nase. Und da kann selbst das IW nicht mehr verschweigen, dass Stromerzeugung, Industrie und Verkehr die Elefanten im Raum sind, wenn es um den grünen Wandel geht. Ein bisschen ist unser Leben falsch. Das stimmt. Hauptsächlich muss aber das ganze System umgestellt werden. Das meiste wird nicht erst am Supermarkt-Regal oder auf dem Teller entschieden, sondern schon viel früher von Industriebossen, Kapitaleignern und Politikern.

Menschliche Schwächen revisited

Auch wenn die Wissenschaft eindeutig ist, hindert die Psychologie manche Menschen daran, den Klimawandel ernst zu nehmen. Menschen sind nicht sehr vorausschauend. – Dabei sind die Klimawandel-Leugner auf der Straße und in Onlinekommentaren aber Nebensache. Wirklich gefährlich sind hingegen die Wirtschafts- und Meinungsführer, die seit Generationen die fossile Agenda forciert haben und jetzt noch, wenn überhaupt, Klima-Maßnahmen nur auf dem Rücken der Schwachen dulden mögen.

In der öffentlichen Wahrnehmung erscheint die Corona-Krise größer als die durch den Klimawandel. 2019 fanden 83 Prozent der Befragten, dass die Klimaerwärmung die größte Bedrohung sei, 2021 meinen das nur noch 72 Prozent. – Ja, Menschen sind leider nicht sehr vorausschauend. Evolutionär war Aufmerksamkeit für die Gegenwart wichtig, während der Eiszeit und über den Winter war Vorsorge nötig, aber heute drängt die Zeit, sich gegen etwas zu wappnen, das für unsere Augen und unser Alltagsdenken uneindeutig, unsichtbar und schleichend stattfindet.