Googles Zeitkristall – eine epochale Erfindung?

Möglicherweise haben Forscher von und mit Googles Quantencomputer-Laboren eine der größten Erfindungen seit Generationen – um nicht zu sagen: der Menschheitsgeschichte – gemacht und einen neuartigen Materiezustand erschaffen, bei dem die Entropie – anders als sonst im bekannten Universum – nicht zunimmt und der ohne Energiebedarf dauerhaft zwischen vergangenem und zukünftigem Zustand hin und her wechseln kann.

Es sollen Kristalle sein, die zwischen zwei Zuständen hin und her wechseln, ohne dabei Energie zu benötigen oder zu verlieren, die endlos und energielos zwischen vorherigem und späterem Zustand wechseln können, also immer wieder von Vergangenheit auf Zukunft und von Zukunft auf Vergangenheit umschalten.

Durch einen Laser werden Quanten im Eigenzustand zu Zeitkristallen angeregt. Als Zeitkristall wechseln sie ohne zusätzliche Energieaufnahme zwischen ihren Zuständen hin und her, wie es die Illustration „A Recipe for a Time Crystal“ im Artikel von Natalie Wolchover im Quanta Magazine veranschaulicht.

Die Forschungen sind allerdings noch nicht peer-reviewed. Außerdem dürften sie eher nur das Konzept dargelegt und belegt haben, jedoch nicht gleich einen patent-reifen Prototypen mitbringen:

„These results establish a scalable approach to study non-equilibrium phases of matter on current quantum processors.“

Observation of Time-Crystalline Eigenstate Order on a Quantum Processor


Tristan Greene, Autor bei The next web (TNW), führt weiter aus, dass Quantenrechner – bzw. ihre Konstrukteure – mit dem Problem der Dekohärenz kämpfen, also der Unsicherheit bei der Beobachtung der Quanten, in welchem Zustand sie denn nun eigentlich sind. Denn sobald man hinschaut, ändern sie ihren Zustand. Zeit-Kristalle tun gerade das nicht. Sie beharren auf einem Zustand. Sie streben nach Kohärenz. Dadurch könnten Zeit-Kristalle in Quantencomputern für Quanten-Kohärenz sorgen.

Die Anwendungsmöglichkeiten für einen solchen physikalischen und technischen Mechanismus sind praktisch nicht zu überschätzen, weil Quantencomputer für viele oder alle zukünftigen Technologien grundlegend sein dürften, und weil Zeitkristalle auf ihre Weise sogar ein Perpetuum mobile darstellen, also trotz Laserbeschusses potentiell Anwendungen mit geringem Energiebedarf ermöglichen könnten.

Mit einem solchen Durchbruch bei den Quantencomputern würde sich die weltweit zur Verfügung stehende Rechenleistung extrem steigern lassen, was rein theoretisch allen zugute kommen könnte, praktisch zumindest aber ganz offensichtlich Google und seinen Stakeholdern.

Deren Machtbasis würde wohl ebenso perpetual (dauerhaft), wenn nicht durch Patentrechts-Abbau und Gemeinwohl-orientierte Gesetzgebung regulierend eingegriffen wird. Wissenschaftliche und technische Wunder stellen immer auch politische und rechtliche Herausforderungen dar. Da darf man sich nicht blenden lassen.

Update, 02.06.2022: Physiker haben nun zwei Zeitkristalle miteinander verschränkt, was zukünftig komplexe Rechenvorgänge in Quantencomputern ermöglichen könnte. Außerdem gelang es dieses Jahr bereits, Zeitkristalle bei Zimmertemperatur zu erzeugen. Zuvor gelang das nur knapp über dem absoluten Nullpunkt.